Page - 273 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Volume 13
Image of the Page - 273 -
Text of the Page - 273 -
273
Mann, der ein hölzernes Rößlein herumtummelt, beziehungsweise dasselbe trägt, und
Stelzengeher in weißen Hemden und weißen Hosen gehören besonders im Wippthal zur
Begleitung des Zuges. Daselbst (Matrei), wo überhaupt das Schellenschlagen unter großer
Betheiligung vorgeführt wird, sind die Theilnehmer um einen in „Baumbart" gehüllten
Bären grnppirt, der sich mit zwei Treibern und einem Trompeter in ihrer Mitte befindet
und mit ihnen marschirt. Auch ein „Wurzengraber", eine, wie wir oben sahen, bei Faschings-
schwänken beliebte Figur, zieht daselbst mit. Er trägt seinen Rückkorb umgestürzt als
Glocke mit einem Riesenschwengel; auf dem Kopse paradirt ein eingedrückter alter
Cylinder. Der Zug der Schellenschlager macht schließlich im Wirthshause Halt, wo
die Ausübenden bewirthet werden. Man schreibt nämlich diesem Faschingsbranch
das Gedeihen des Flachses zu. Das Schellenschlagen wird jedes dritte oder vierte Jahr
vorgenommen. ^
Der Sommer hat, wenn man nicht den festlichen Auftrieb des Viehs zur Alpe
am Veitstag zu den Belustigungen rechnen will, nur die feierliche Begehung des Sonn-
wendtages aufzuweisen. Da flammen am Vorabend des Johannistages (24. Juni) bei
einbrechender Dunkelheit hunderte von Freudenfeuern auf allen Höhen und unter dem
Jauchzen der Dorfburschen fliegen die feurigeu „Sonnwendscheiben" durch die Luft. Es
sind aus trockenem Erlen- oder Buchenholz geschnittene Scheibchen von 5 bis 6 Centimeter
Durchmesser, welche im Feuer glühend gemacht und mittelst eines Stocks in hohem Bogen
vom Hügel ins Thal geschleudert werden. Dabei singt der Bursche:
Scheid aus, Scheid ein,
Wem soll die Scheibe sein?
Die Scheib' fliegt wohl über den Rain,
Die Scheib' soll der N. N. sein.
Dabei wird der Name des Mädchens genannt, dem die Scheibe gilt. Bei heiterem Himmel
gewährt dieses nächtliche Sonnwendfeuer einen herrlichen Anblick.
Ein Fest, auf das sich Alt und Jung freut, ist endlich der lustige „Kirchtag". Er ist
gewissermaßen der abschließende feierliche Ruhetag nach der mühevollen Arbeitswoche des
Sommers und Herbstes, dessen Fruchtsegen nun wohlgeborgen in Stadel und Scheune
liegt. Den Mittelpunkt bildet natürlich der abendliche Tanz, der die muntere Jugend und das
ernste Alter in der Dorfschenke vereint. Bald ertönen auch die lustigen Klänge von der
Spielbank her und nnn wogt und dreht sich Alles durcheinander. Hier tanzt man nicht
fein sittiglich wie im Salon, sondern jeder überläßt sich nngenirt dem Ausbruch seiner
Fröhlichkeit. Da wird „schuhplattelt" uud „getröstert" und kopfüber aufgesprungen, daß
die Fußsohlen die Stubendecke berühren, ja mancher gelenkige Tänzer springt sogar laut
aufjauchzend über seiu Mädchen hinweg, welches unterdessen allein forttanzt. Dann eilen sie
Tirol und Vorarlberg. 18
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Volume 13"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch