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kleinen Unterbrechung, welche die erwähnte „Einsegnung der Alpe" bringt, das Leben
gleichförmig zwischen Arbeit und Ruhe.
Im Hochsommer, gewöhnlich noch vor Peter und Paul (29. Juni), zieht man mit
dem Vieh auf das „Hochleger", wo man bis Ende August bleibt und dann wieder zum
Niederleger zurückkehrt, um die paar Wocheu bis zur Abfahrt das unterdessen nachge-
wachsene Gras abäsen zu lassen. Um den 21. September, wo gewöhnlich schon Reif
nnd leichtes Schneegestöber einfällt, rüstet man sich zum Abzug. Zuvor wird Alles gereinigt,
die Geräthschasteu theils auf große „Kraxen" verpackt, theils im versperrbaren „Gaden"
eingeschlossen. Den kupfernen Käsekessel vergräbt man in die Erde, weil er nach der
Meinung der Älpler dadurch wächst. Zwei Tage vor der Abfahrt wird zum letztenmal
„abgekäst", dann feiert man die „Schoppwoche", welche nnr mehr zum Essen, Trinken
und Faulenzen, wie wohl auch zum Verfertigen der verschiedenen Holz- und Blumen-
zierden für die abziehende Herde benützt wird.
Gleich der Auffahrt zur Alpe bildet auch die Heimkehr ein Fest für das Almvolk,
wie für die Leute im Thal, das heißt, weun kein Unglück geschehen, kein Stück Vieh
„verfallen" ist und keine Kuh verworfen hat. In diesem Falle zieht die Herde nngeschmückt
und klanglos ein. Sonst aber ist ein solcher Alpenheimzug eine wahre Lust, besonders in
jenen Thälern, wo Wohlstand und Viehzucht blühen, z. B. im Unterinnthal und Ziller -
thal. Da hört man die Woche vor Michaeli (29. September) nichts als Glockenklang und
Peitschenknall, Siugeu und Jauchzen von nah und fern. Der „Melcherball", wobei
gewöhnlich zuletzt „gerodelt" wird, macht den Schluß. Die Herabschaffung des „Alpen-
nutzens", d. h. der Erträgnisse der Almwirthschast geschieht bei kleinen Alpen dadurch,
daß mehrmals während des Sommers Käse und Butter mittelst „Kraxen" herabgebracht
wird, so daß man bei der Abfahrt nur mehr das kleine „Almwagele" mit dem Rest zu
bepacke» braucht. Bei großen Alpen hingegen, ans denen sich das Vieh mehrerer Bauern,
ja oft einer ganzen Gemeinde befindet, geschieht die Vertheilnng und Herabschaffung erst
einige Zeit nach der Heimkehr des Viehs, weshalb das eigentliche Sennerpersonal noch
bis dahin auf der Alpe zurückbleibt.
Tracht. Die Tracht ist in Tirol im entschiedenen Absterben begriffen. Die Zeiten
sind vorüber, in denen man die ganze Bekleidung einschließlich der Beschuhung aus selbst-
erzeugtem oder gewonnenem Stoff durch Gevatter Schneider und Schuster im Hause aus
der „Stör" verfertigen ließ. Dies ist nurmehr in abgelegenen Dörfern, wie z. B. im
tiefern Jselthal, Virgen und Prägratten der Fall. Jetzt, seit der erleichterte Verkehr die
Thäler den Waarenlagern der Städte und größeren Orte nähergerückt hat, kauft sich der
Bauer nur zu häufig seinen Kleiderstoff lieber dort, der weibliche Theil der Bevölkerung
aber verschafft sich wohlfeile aber schlechte Stoffe von den zahlreichen Hansirern, welche
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch