Page - 312 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Tirol und Vorarlberg, Volume 13

312 und brennenden Wachskerzen ist in Wälschtirol unbekannt. Bei der Leiche wird nachts meist von den nächsten Verwandten gewacht und dabei gemeinsam laut gebetet. In den Städten und größeren Orten ist es Sitte, daß die theilnehmenden Familien ihre Dienst- boten mit Leichenfackeln (torcie) zn Begräbnissen schicken. Der Leichenzug wird vom Trauerhaus bis in die Kirche mit brennenden Fackeln begleitet; nach erfolgter Einsegnung der Leiche werden die Fackeln ausgelöscht, die Träger oder Trägerinnen derselben gehen nach Hause uud nur wenige Begleiter folgen der Leiche bis auf den Friedhof. Nnr bei Begräbnissen sehr angesehener Personen wird die letzte Ehre durch persönliche Begleitung erwiesen. In den Dörfern herrscht wohl durchwegs die Sitte, daß nicht nur die Ver- wandten — oft, auch im heißesten Sommer, mit Wintermänteln angethan — mitgehen, sondern auch jedes Haus einen Vertreter entsendet; auch wird das Offnen und Schließen des Grabes von den nächsten Verwandten selbst besorgt. Allgemein dürfte in älterer Zeit die Sitte gewesen sein, daß Klagefrauen den Leichenzug begleiteten, laut weinten und jammerten und die Tugeudeu des Todten priesen, wie einst die praeticae mit ihren Nänien bei den alten Römern. Diese Sitte ist heute nur mehr eine blasse Erinneruug, sie dauert abgeschwächt noch in Val Tesino fort. Auch die eiust üblichen Todtenmahlzeiten sind abgekommen; doch werden noch oft Brot- oder Geldspenden an Arme vertheilt und den nächsten Verwandten Kuchen und Ähnliches zugesendet. An den Leichenbegängnissen, wie auch sonst an festlichen kirchlichen Aufzügen, betheiligten sich häufig auch die Bruderschaften, deren es in Wälschtirol wohl eben so viele gibt wie in Deutschtirol. Bei Aufzügen erscheinen dieselben in weißen Hemden, welche über das Gewand angelegt bis auf die Füße reichen, in der Mitte des Leibes eingeschnürt und oben von über die Schulter fallenden rothen, lichtgelben oder schwarzen Mäntelchen oder Kragen bedeckt sind. Entsprechende Hüte fehlen; gegen brennende Sonnenhitze mögen schwarze Lederkäppchen schützen. Zu den Begräbnissen sei noch erwähnt, daß früher — es mag theilweise auch heute uoch geschehen — zu einem Kreuz, welches an einsamen Orten einen jähen Todesfall bezeichnete, die Vorübergehenden einen Stein hinzu warfen. So finden sich unter dem Gipfel des Berges Pasübio in Vallarsa sieben große Holzkreuze, welche aus einem großen Steinhaufen hervorragen und den Platz bezeichnen, an welchem nach der Sage einst Hirten in Streit gerietheu und sieben derselben erschlagen wurden. Von kirchlichen Bräuchen wäre noch Manches zu erwähne», wie z. B. von Bittgängen mit Kreuz und Fahnen, bei denen, wenn sie um Regen stattfanden, ehemals im Gebiete von Pergine der Brauch herrschte, daß Männer nnd Weiber, wenn sie an einen, wohl absichtlich aufgesuchten See kamen, mit kleinen Geschirren Wasser schöpften und gegen Himmel spritzten. Es sei noch an die auch in Welschtirol herrschende italienische Sitte des