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eine Bleikugel. Doch das Gift wirkte auf ihu zurück, er fiel wie todt nieder und kam zwar
wieder zu sich, blieb aber blöde. Der todte Drache und ein bei ihm gefundenes Ei wurden
dann au einer Kette in der Kirche von Campiglio aufgehängt, wo das Ei und der Schädel
des Drachen vor nicht gar langer Zeit noch zu sehen waren.
Eine bemerkenswerthe Sage seiner Zeit erzählt auch Mariaui; er hatte sich sogar
selbst zur betreffenden Stelle begeben, um die Sache anzusehen. Bei Romaguano unterhalb
Trient befanden sich in einem Felde zwei etwa mannshohe pyramidenförmige Steine,
welche das Volk die steinernen Weiber äonne cki sasso) nannte. Zwei Weiber sollen
dort einst, entweder weil sie nach dem Feierabendlünten an einem Samstag noch trotzig
fortarbeiteten oder weil sie einen falschen Eid geschworen hatten, in Stein verwandelt
worden sein. Ein nahe dabei liegender kleinerer Stein sollte die Wiege eines Kindes
gewesen sein. Als ein Knecht mit zwei Ochsen die Steine wegführte und in die nahe Etfch
warf, waren sie am folgenden Morgen wieder auf dem alten Platze und der Knecht und
die Ochsen todt. Heute sind die Steine verschwunden und die Sage ist verschollen. Wahr-
scheinlich hat es sich hier um Überreste einer ländlichen heidnischen Cultusstätte gehandelt.
Typische Sagengestalten, welche öfter und verschieden auch in Volksmärchen
verflochten werden, gibt es mehrere. Allgemein, besonders bei den Ladinern, verbreitet
sind die Sagen vom Oreo, einem boshaften, neckischen Wesen, welches alle Gestalten
annehmen kann und dessen größte Freude es ist, die Leute in Schrecken zu setzen. Auch
Örtlichkeiten sind nach ihm benannt, namentlich Quellen und Brunnen. Will der Wälsch-
tiroler den denkbar höchsten Grad von Häßlichkeit bezeichnen, so sagt er: .Lrutto com«
I'Oreo«. Eine ganz ähnliche Rolle, wie der wilde Mann und die von ihm verfolgten wilden
oder saligen Fräulein in Deutschtirol, spielt iu Wälschtirol gleichfalls der wilde Mann
(mundartlich l'oin salväckeAk), neben welchem in Sagen von Folgaria auch uoch Frau
Bertha (la cionna IZerlu) vorkommt, sowie in Valsngana der Beatrik nnd die von ihm
verfolgten Egnane (LnZuane, ^i^uane); letztere wollen noch an den alten Volksuameu
der Enganeer erinnern. Die wilden Leute, Mäuuer und Weiber, welche fern von den
Menschen in Wäldern und Felsenhöhlen wohnen, sich roh kleiden und nähren, unschädlich,
aber weuu sie gereizt werden, rachsüchtig sind, jedoch auch Kinder ranben und gegen die
ihrigen vertauschen, bisweilen, namentlich im kalten Winter, in die Wohnungen der
Menschen kommen, um sich zu wärmeu, aber kaum jemals etwas sprechen, — diese Wesen
der Sage stellen sich uns in Fassa als Vivans und Vivanes oder als Bregostans und
Bregostenes, iu Enneberg als Salvans und Gannes vor. Erinnerung an die Urbewohner
mag sich bei diesen Gestalten mit anderen Sagenelementen vermengt haben. Eine besondere,
etwas verblaßte Sagengestalt, in welcher wohl der alte römische Waldgott Silvanns steckt,
ist der Salvanil, nach der älteren Vorstellung des Volkes in Valsugaua ein Mann von
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch