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Wenn ich es nun nach dieser kurzen Charakteristik des Gebietes wage, den geehrten
Leser einzuladen, mit mir eine rasche Wanderung durch das Erzgebirge anzutreten, so
muß ich ihm gleichwohl zumuthen, das Gehänge wiederholt auf- und abzukletteru.
Von Bodenbach aus nehmen wir zuerst den Weg durch die mit prächtigem Fichten-
wald bewachsenen Sandsteinfelsen hinan zum „Hohen Schneeberg" (721 Meter),
dessen Aussichtsthurm weithin sichtbar ist. Der Schneeberg bildet eine nach allen Seiten
steil abfallende Kuppe, welche als der Rest eines ehemaligen höheren Stockwerkes auf dem
Elbesandstein aufliegt, der sich westwärts bis gegen Nollendorf noch auf das eigentliche
Erzgebirge schiebt. Von der Gallerie des Thurmes übersieht mau das vielfach durchklüftete
Sandsteingebirge und die weithin verstreuten Kegel des Mittelgebirges bis hinüber zur
Lausche und dem Jeschken, bis zum Milleschauer und zum Duppauer Gebirge auf der
einen und dem kahlen, eintönigen Rücken des Erzgebirges auf der anderen Seite. Wir
wandern dann weiter westwärts, längs der Kante der Eulauer Wände, über dem
Eulauthal nach Tyssa, wo uns die zu wunderlichen Formen zernagten, ein wahres
Labyrinth bildenden Tyssaer Wände an die Adersbacher Felsen gemahnen, und indem
wir hier zuerst den Gneißboden des Erzgebirges betreten, gelangen wir allmälig aufwärts
bis zu der weit aus dem Lande herauf sichtbaren Kirche von Nollendors (679 Meter).
Hier erreichen wir die alte Heerstraße nach Sachsen, auf welcher Napoleon I. nach der
Schlacht bei Dresden den Vorstoß nach Böhmen unternahm. Von da, wo wir zum ersten
Male einen Blick in die zu unseren Füßen ausgebreitete Aussiger Braunkohlenmulde und
auf die Mittelgebirgskette genießen, steigen wir bergab, um einen Blick auf „die böhmischen
Thermopylen", auf die Schlachtfelder von Arbesan und Kulm zu werfen; hier ward
am 29. und 30. August 1813 durch die Truppen der Alliirten das französische Heer uuter
Vaudamme geschlagen und dieser mit 10.000 Mann gefangen genommen, hier wies
am 17. September desselben Jahres Colloredo-Mannsfeld mit seinen österreichischen
Truppen den neuerlichen Versuch der Franzosen, in Böhmen einzudringen, siegreich zurück.
Nach dem Geschmack unserer Zeit recht einfache Denkmale, an denen wir der Reihe nach
auf dem Wege über Kulm und Priesten vorbeikommen, erinnern an die Tapferkeit der
österreichischen, preußischen und russischen Truppen, deren Sieg den Beginn des Nieder-
ganges von Napoleons Ruhmeslauf bedeutete.
Unter den malerisch aus den Waldbäumen aufragenden Trümmern der Geiersburg,
die einst bestimmt war, den einen der wenigen über das durch dichten Wald unwegsame
Gebirge führenden Pässe, den Graupuer oder Geiersberger genannten, zu bewachen,
gelangen wir in den frenndlichen Wallfahrtsort Mariaschein und betreten sodann die
uralte Bergstadt Graupen. Ihre hochgiebligen Fachwerkhäuser, die alte mit kunst-
geschichtlich werthvollen Holzschnitzereien gezierte Stadtkirche schmiegen sich, überragt von
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch