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die Fürsten über Streitigkeiten zu Gericht; in einem Gelaß seines Fürstenhauses
wurde die basteue Fußbekleidung des Premysl noch durch Jahrhunderte als ehrwürdige
Reliquie aufbewahrt. In der Nähe von Slnp, unterhalb des Vysehrad, sollen die ältesten
Fürsten begraben sein; in dieser Gegend steht heute noch ein Haus, dessen Stirnseite die
Bildnisse der heidnischen Fürsten in ganzer Gestalt zeigt. Gleichwohl trat die politische
Bedeutung des Vysehrad mehr und mehr hinter jener der Prager Burg zurück, die schon
unter den heidnischen Fürsten alle Fürstensitze des Landes an Ansehen überragte; im Kampfe
Neklans, des siebenten Nachfolgers von Premysl, gegen den Saazer Fürsten Vlastislav
heißen seine Krieger nicht „die Vysehrader", sondern „die Prager".
Die eigentlich geschichtliche Zeit beginnt für Prag mit der Christiani-
sirung des Landes unter Borivoj I. 871 bis 894 und hat in dem Prager Domherrn
Cosmas (-s- 1125) den ersten Darsteller gefunden. Zn Cosmas' Zeiten war das Gebiet,
wo einst Krakov gestanden, bereits mit Wald überwachsen, die Mägdeburg (Devin) war
Ruine, von Kazin nur mehr die Umwallung vorhanden, Libusin und Tetln sahen verlassen
und verödet ihrem allmäligeu Verfall entgegen. Nur Budec und seine Schule blühten
noch, Vysehrad und Prag waren in steigendem Wachsthum begriffen.
Der Vysehrad, in der heidnischen Zeit die vornehmste Cultusstätte des Landes,
behielt iu der ersten christlichen Zeit den gleichen Vorrang. Es erhoben sich da eine
St. Clemens-Kapelle, eine Kapelle St. Johann Ev., unter Vratislav II. 1070 ein Dom
zu St. Peter und Paul, in welchen die ältere Clemens-Kapelle mit einbezogen wurde, mit
einem reichen Kapitel ausgestattet; eine St. Maria-Magdalena-Kapelle und ei» Karuer
zum heiligen Martin, jene urkundlich zuerst 1130 erwähnt, aber beide ohne Zweifel viel
älteren Ursprungs.
Die Prager Burg, bei den deutscheu Chronisten des XIII. Jahrhunderts engtruin
?ra^ense, urbs, civitas ?ra^ensis, war auf einer nach drei Seiten steil abfallenden Land-
zunge erbaut, eine natürliche Befestigung, die uur gegen die Bergseite durch Wall und
Graben vervollständigt werden mußte. Die Prager Burg hatte zwei Zugänge: zu dem
einen führte von der Landseite eine über den Wallgraben geschlagene Holzbrücke, der andere
kleinere lag entgegengesetzt da, wo der Berg nach der Moldau abfällt und von wo
sich wahrscheinlich ein einfacher Fußsteig steil zu dem Ufer hinabwand — 0x»?s, OpuS,
eaucka urbis, heute die sogenannte alte Schloßstiege.
Die älteste Befestigung war roh aus Balken gezimmert, uud so wareu ohne Zweifel
alle Bauten im Innern aus Holz, an welchem es ja bei der Nähe des alten Forstes nicht
fehlte. Zwischen dem Fürstenhofe (curia, ckucis), der an der Stelle des heutigen Pracht-
baues im dritten Schloßhof gestanden haben mag, und der ersten von Borivoj I. erbauten
Marienkirche knapp an dem Haupteingang breitete sich ein offener Platz ans, für
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch