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solche galt im Mittelalter keine Ansiedlung als Stadt —, mit eigenem Stadtrecht und
Stadtrath versehen, aber die Gründung erfolgte nicht mit jener wilden Härte wie jene
der Kleinseite unter dem goldenen König, im Gegentheil mit friedfertiger Einbeziehung
der alten Bewohner und deren Erhebung zu Stadtbürgern. Den Hauptplatz dieser Neuen
Stadt bildete jener früher erwähnte Viehmarkt — vob^tei trk, der seinen Namen bis
in die jüngste Zeit, im Munde des Volkes bis heute behalten hat. Die Nordseite dieses
Platzes nahm das Neustädter Rathhaus mit seinem hohen und starken Thurm ein.
Und noch ein neues städtisches Gemeinwesen entstand unter Karl IV., gleichfalls von
Wällen eingeschlossen, mit Thoren und Thürmen versehen, der Hradschin ---- Uradean)',
der sich außerhalb der Prager Burg bis au deu Strahov hinzog und bald eine solche
Bedeutung gewann, daß man von der Prager Burg als „auf dem Hradschin — na
Uraäöaneel^ gelegen sprach. Das waren nuu die „Vier Prager Städte", die zu
Karls IV. Zeiten die größte, volkreichste und glanzvollste Metropole des mittleren Europa
bildeten, dabei die behaglichste und genußvollste, weil eines andauernden Friedens sich
erfreuend, ohne äußere Kriege, ohne nationale, confessionale oder politische Spaltung
und Parteiuug im Innern.
Das ließ sich leider von Karls IV. beiden Söhnen und Nachfolgern nicht sagen.
Wenzel IV. wohnte seltener auf dem Hradschiu als auf seinen Lieblingsplätzen außerhalb
der Stadt. Ju Prag selbst legte er sich eine» Sommersitz am Zderaz an, da wo später das
Provinzialstrashaus mit der Kirche zu St. Wenzel stand und heute uoch das Wenzels-
bad steht; dann am Ausgang der Altstadt gegen die untere Neustadt den „Königshof".
Die Kunde von dem Losbruch blutiger Kämpfe zwischen den Katholiken und deu Husiteu
auf der oberen Neustadt, 30. Juli 1419, gab ihm auf seinem Schlosse Wenzelstein bei
Knndratitz den Tod. Es war das Signal zu den fürchterlichen Husiteukriegen, denen gleich zu
Ausaug eine der Prager Städte znm Opfer fiel: die Kleinseite, also der vorwaltend deutsche
Stadttheil, wurde 1420 in so grauenvoller Weise verwüstet, ja zerstört, daß die Gemeinde
sich auflöste und die Stätte Jahrzehnte hindurch ohne Bewohner blieb.
Im Jahre 1436 war der äußerliche Friede hergestellt, König Sigismund, nuu
allgemein anerkannt, zog in Prag ein, 23. August, und wählte den Königshof zu seinem
Sitz, der nun bleibende Residenz zu werden schien. Hier starb der jugendliche Ladislaus
Posthumus, hier waltete König Georg von Podebrad, unter dessen Regierung Prag
von neuem aufblühte, auch die Kleinseite sich wieder bevölkerte und das ganze Land an
äußerem Wohlstande gedieh. Als unter diesem schlauen, kräftigen und glanzvollen Fürsten
der päpstliche Legat Äneas Sylvins nach Böhmen kam, staunte er über den Reichthum
des Landes und dessen Städte, die nach so furchtbarer Verheerung so rasch auf-
blühend nenes Leben gewonnen hatten. Nach Prag, wo die Pest wüthete, kam er nicht,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch