Page - 246 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (1), Volume 14
Image of the Page - 246 -
Text of the Page - 246 -
246
Was das Verhältniß zum Reiche anbelangt, so wurde schon erwähnt, daß die
Bestätigung des Böhmerfürsteu dem Kaiser zustand, ebenso wie die Investitur des Landes-
bischofs. Im Lande selbst übte der Kaiser keinerlei Reichsgewalt aus. Der böhmische Tribut
bestand ursprünglich, wie ehedem der sächsische, in 120 auserlesenen Ochsen und 150 Mark
Silber; thatsächlich hörte diese Leistung wohl bei Verleihung der Königswürde an
Vratislav II. (1086), formell unter Kaiser Friedrich II. auf (1212). Mit der Nachsicht
des Tributs hängt die Stellung von 300 Söldnern zum Römerzuge zusammen. Der
Böhmerfürst war verpflichtet, über Berufung des Kaisers auf den Hoftagen zu erscheinen,
wenn diese nahe an der Grenze Böhmens abgehalten wurden. Unmittelbaren Einfluß im
Reiche erlangten die böhmischen Landesfürsten erst, seitdem sie das Reichsschenkenamt
bekleideten und in das Wahlcolleginm eintraten. Die Anfänge hiervon fallen in die Zeit
des Fürsten Vladislav II. als König. So gelangten die böhmischen Landesfürsten zu
immer größerer Geltung im Reiche, ohne daß dadurch ihre eigene Machtvollkommenheit
in Böhmen selbst eine Einschränkung oder Einbuße erlitten hätte.
Die populärste Erscheinung in der böhmischen Geschichte des XI. Jahrhunderts
ist Fürst Bretislav, der Sohn des Fürsten Udalrich und der schönen Bozena, des Dorf-
mädchens von Krefeyn. Als Theilfürst von Mähren hatte er Judith, eine Deutsche, zur
Frau, die er in romantischer Weise aus dem Jungfernkloster Schweinfurt entführt hatte.
Bald nach Besteigung des Fürstenstuhls unternahm er einen gleich romantischen Kriegs-
zug nach Großpolen, um den Leib des Märtyrers Vojtech-Adalbert von Gnesen zu holen.
Glücklich brachte er die körperlichen Überreste des Heiligen nebst großen Beuteschätzen nach
Prag, verwirkte jedoch durch die eigenmächtige That die Gnade des Papstes sowohl,
als die des deutschen Königs. Letzterer griff zu den Waffen, erlitt jedoch im ersten Anprall
eine schwere Niederlage in den Grenzwäldern von Taus, wo vor Jahrhunderten Dagoberts
Anstrasier von Samo geschlagen worden waren. Den Feldzug erneuernd, drang der König
bis in die nächste Nähe der Burg Prag, worauf Bretislav sich unterwarf und fortan treu
zum König hielt. Zu dieser Zeit fiel das polnische Schlesien an Böhmen.
Bretislav gilt für den Schöpfer der Seniorats-Erbfolge in Böhmeu, welche so viel
Unheil über das Land brachte; ihm folgte sein Sohn Spytignev II. Spytignevs Nachfolger
wurde auf Gruud des Ältestrechtes Vratislav II. Dieser hielt in dem Juveftiturstreit
zu Heinrich IV. und wurde dafür mit der Königswürde ausgezeichnet (1086). Während
Vratislavs Regierung stand Böhmen in hoher Blüte; das Land selbst war reich an edlen
Metallen; durch lebhaften Handel zeichneten sich die beiden Vorburgen Prag und Vysegrad
aus; die deutsche Gemeinde am Prager Poric bestand zumeist aus Kaufleuten; reiche
Juden gab es in den beiden Vorburgen; der Kaufhof (t^n, Frohnhof, laeta curia) in der
rechtsufrigen Prager Vorburg war der Sammelpunkt der auswärtigen Handelsleute.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch