Page - 262 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (1), Volume 14
Image of the Page - 262 -
Text of the Page - 262 -
262
Karls innere Politik war bereits vielfach von modernem Geist durchweht. Während
nämlich der mittelalterliche Staat nur Rechts- und Kriegsanstalt war und die meisten
Fürsten des Mittelalters nur den Frieden im Innern und nach außen zu wahren suchten,
sorgte Karl mit der ganzen Kraft seines vielseitigen Geistes noch überdies für das
materielle und geistige Wohl der Angehörigen seiner Erblande, er hob die gesammte
Volkswirthschaft, Kunst und Wissenschaft Böhmens durch rastlose Fürsorge auf eine bis
dahin nie gekannte Höhe.
Als rationeller Staatswirth beförderte Karl zunächst die Urproduktion durch glück-
liche Anlage von Rebenhügeln und Hopfengärten, durch Verbesserung der Forst- und
Teichwirthschaft. Das gewerbliche Leben gedieh unter ihm mannigfaltig, die böhmische
Tuchsabrication, Kunstweberei, Papiererzeugung, Goldschmiedekunst verdankten ihm, der
die Begründung von Zünften sehr begünstigte, Hebung und Förderung. Seine Umsicht zog
auch aus dem fernen Ausland gewerbtüchtige Leute, Teppichwirker aus dem Orient und Fein-
ledergärber aus Süditalien heran. Der Unsicherheit der Straßen und der Ausplünderung
der Handelszüge durch allerhand Wegelagerer und Raubritter machte Karl durch Zerstörung
der Raubnester ein Ende, er erweiterte das Straßennetz Böhmens, regulirte die größere«
Flüsse und verlieh als Kaiser den Kaufleuten der böhmischen Städte Freiheit von allen
Zöllen und Mautheu im ganzen römischen Reich. Groß war die Handelsbewegung Böhmens
unter Karl; nach Deutschland und Italien hin einerseits, nach Ungarn und Polen anderseits
herrschte der regste Verkehr, dessen Herz die Prager Altstadt bildete, wo es deutsche
Patrizierfamilien gab, deren Reichthum hinter dem der Augsburger Fugger späterer Zeit
nicht allzuweit zurückstand. Das Aufblühen Prags auf jede Weise zu fördern, es zu erweitern
und zum Range der größten Städte des damaligen Europa zu erheben, war Karls lebhaftes
Verlangen, dem er bereits 1348 durch Anlage der Prager Neustadt Ausdruck gab.
Aber nicht allein der Volkswirthschaft verhalf Karl zu hoher Blüte, auch die Kunst,
für deren Lebenszauber sein regsamer Geist so empfänglich war, nahm vermöge seiner
großartigen Förderung bedeutungsvollen Aufschwung. Am großartigsten verewigt sich
derselbe in den karolinischen Baudenkmalen. Die stilvollen Bauten Prags, die Prager Burg,
der majestätische Dom, der gothische Kuppelbau der Karlshoser Kirche, die Teinkirche, die
gewaltige Stromfessel der Karlsbrücke sammt dem stattlichen Altstädter Brückenthurm, die
Felsenburg Karlstein, die damals im reichsten Schmuck von Kunst und Luxus prangte, und
andere mehr sind stolze Zeugen jener Tage, die fast alle den Ruhm des von Karl entdeckten
genialen Peter Parier (fälschlich Arler) von Schwäbisch-Gmünd verkünden. Zu großer
Bedeutung gelangten unter Karl auch die Plastik, Wand-, Tafel-, Glas- uud Buchmalerei.
Unvergängliches Verdienst erwarb sich Karl endlich um die Wissenschaft durch die
Gründung des Prager Generalstndiums (der Universität), des ältesten in Centraleuropa.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch