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deßgleichen traten die böhmischen Stände nach inzwischen erfolgter zeitweiliger Aussöhnung
zur Königswahl zusammen und wählten Albrecht, Herzog von Baiern, hauptsächlich
deßwegen, weil er die Verhältnisse in Böhmen kannte und auch der böhmischen Sprache
mächtig war. Aber der Gewählte nahm die Wahl, vornehmlich in Folge von Ein-
flüsterungen Ulrichs von Rosenberg, nicht an.
Das Böhmerland wurde nun neuerdings der Schauplatz verderblicher Zerwürfnisse
und Kriege. Es gab keine Centralgewalt. Wohl trafen die Stände unmittelbar nach dem
Ableben des Königs Albrecht Maßregeln zur Aufrechthaltung des Landfriedens und
jeder Kreis wählte einen Kreishauptmann, welcher mit den ihm von den Ständen zuge-
theilten Räthen dafür aufzukommen hatte, daß dem Räuberunwesen gesteuert, Streitig-
keiten geschlichtet und Fehden hintangehalten würden (29. Jänner 1440). Es gab damals
in Böhmen 13 Kreise; in einigen hatte die Partei der Herren Ulrich von Rosenberg und
Meinhard von Neuhaus, in einigen wiederum die Partei des Herrn Ptacek die Oberhand.
Darnach fielen auch die Wahlen der Kreishauptleute aus. Namentlich zeigte es sich hierbei,
daß die Partei der entschiedenen Utraqnisten in den vier ostböhmischen Kreisen, nämlich
in dem Kourimer, Caslauer, Chrudimer nnd Königgrätzer Kreise eine compacte Majorität
besaß. Diese Kreise beriefen nämlich zur Hauptmannswürde nicht nur entschiedene
Männer, sondern sie bildeten auch eine Art engerer Genossenschaft und wählten Herrn
Hynce Ptacek von Pirkstein zu ihrem Oberhauptmann. Prag blieb in der Gewalt des
Herrn Meinhard von Neuhaus als Oberstburggrafeu, aber das von ihm uud den von
ihm eingesetzten Rathsherren ausgeübte Regiment war willkürlich und gewaltthätig.
Es lag am Tage, daß diese Einrichtung dem Lande nicht genügen konnte, vor-
nehmlich deßwegen, weil sie dem Schwächeren gar zu wenig Schutz bot. Und noch ärger
war es in religiöser Hinsicht. Magister Johann Rokycana, der schon erwähnte utraqnistische
Erzbifchof von Prag, wurde gleichfalls nur in den vier östlichen Kreisen anerkannt, in denen
er, wohl mit Hilfe einer Synode, Erlässe über die Disciplin der Klerisei, über die
Glaubenseinheit und gegen die Extravaganzen der Taboritenlehre herausgab, aber es gab
keiue Executive, keine Macht, welche Priester und Gläubige hätte zwingen können, sich
darnach zu verhalten. Die Verhandlungen mit der päpstlichen Enrie, welche die Bestätigung
der Eompactaten und die Anerkennung Rokycana's als Erzbischof bezweckten, hatten keinen
Erfolg, denn Papst Eugen IV. und seine Nachfolger waren überzeugt, daß die unter
einander uneinigen Böhmen bedingungslos zum Gehorsam gebracht werden müßten.
Diesem Zustand allgemeiner Unruhe und Unsicherheit machte das Jahr 1448 ein
Ende. Das Haupt der entschiedenen Utraqnistenpartei, Hynce Ptacek von Pirkstein
starb 1444 (27. Angnst) und die vier östlichen Kreise wählten an seiner Stelle zum
Oberhauptmann den Herrn Georg von Podöbrad und Kunstatt, der damals erst
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch