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eines Appellationsgerichtes in Prag, an welches die Berufungen von den städtischen
Gerichten nun zu richten waren, während man sich bisher mit solchen Berufungen an
die Stadtgerichte in Prag oder Leitmeritz, mitunter sogar auch au auswärtige, und zwar
protestantische Gerichtshöfe gewendet hatte.
In religiöser Beziehung änderte sich Ferdinands Haltung nach dem Siege insoferne,
als er wenigstens die ihm besonders verhaßten Brüdergemeinden, welche auch an der
Auflehnung großen Antheil genommen hatten, nun nachdrücklicher als früher verfolgte.
Bekannt ist besonders die lange und harte Kerkerhaft, welche damals über das Oberhaupt
der Brüder, Johann Angusta, verhängt wurde. Die Brüder gänzlich zn vernichten, gelang
freilich Ferdinand nicht. Wichtig war auch, daß Ferdinand die Ernennung der Mitglieder
des utraquiftischen Konsistoriums den Ständen entzog und die Mitglieder von da an selbst
ernannte. Er erreichte damit, daß dieses Consistorium sich immer mehr dem Katholicismus
zuneigte, bewirkte aber auch, daß es bei den Utraqnisten selbst, namentlich jenen, die dem
Lutherthum zugethan waren, fast alles Ansehen verlor.
Gegen Ende seines Lebens setzte Ferdinand, der im Jahre 1556 auch deutscher
Kaiser geworden war und sich den böhmischen Angelegenheiten nun weniger als früher
widmen konnte, seinen gleichnamigen Sohn Erzherzog Ferdinand als Statthalter in
Böhmen ein. In Böhmen spielte auch ein großer Theil des Liebesromans, durch welchen
dieser Erzherzog so allgemein bekannt ist; die schöne Philippine Welser wohnte nämlich
zehn Jahre als Gast bei ihrer Tante Katharina von Loksan auf Schloß Breznitz, und
dieses Schloß war daher auch der Schauplatz der heimlichen Zusammenkünfte des Erz-
herzogs mit der schönen Angsbnrgerin, bis endlich im Jahre 1557 der Segen des Priesters
das junge Paar für immer vereinte und etwas später auch Kaiser Ferdinand seine
Zustimmung zu dem Ehebunde gab. Erzherzog Ferdinand war übrigens streng katholisch
und wirkte daher in religiöser Hinsicht ganz im Sinne seines Vaters. Den Kunstsinn, den
er später als Regent von Tirol bethätigte, zeigte er auch schon als Statthalter von
Böhmen, was namentlich das von ihm erbaute Lustschloß „Stern" bei Prag beweist.
Im Jahre 1564 starb Kaiser Ferdinand nach langer ruhmvoller und vielfach
auch erfolgreicher Regierung. Seine Leiche wurde nach Prag gebracht und an der Seite
seiner schon im Jahre 1547 verstorbenen Gemalin Anna im Veitsdom beigesetzt. Sie
ruht daselbst noch jetzt, und zwar unter einem prächtigen Marmorgrabmal, das die Gestalten
des Kaisers, seiner Gemalin nnd seines Sohnes und Nachfolgers Maximilian II. zeigt.
Der Thronbesteigung Maximilians II. wurde bekanntlich in allen von ihm
beherrschten Ländern mit großer Spannung entgegengesehen, weil er in dem Rufe stand,
heimlich Protestant zu sein. Auch die Protestanten in Böhmen gaben sich aus diesem
Grunde großen Hoffnungen hin, doch trat nach dem Tode Kaiser Ferdinands in den
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch