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halb Fisch; zur Nachtzeit kommt auch der Wassermann aus den Wässern, ein näselndes
Münnlein ohne Daumen an der linken Hand, im grünen Rock, aus dessen linkem
Schößel das Wasser heruntertröpfelt; er birgt in Töpfen die Seelen der Ertrunkenen.
Indem er am Ufer oder auf einer Weide sitzt, kämmt er sich das lange röthliche
(auch grüne) Haar oder näht an seinen Stiefeln. Es gibt eine ganze Reihe von Sagen
von diesem verderblichen Wasserwesen, das sich in mannigfache Gestalten verwandeln kann,
bald in einen Krebs, bald in eine auf dem Wasser schwimmende Laterne, in einen Rappen
ohne Unterlippe, den man nur mit einem Baststrick, sonst aber gar nicht fesseln kann.
Znr Nachtzeit treiben sich auch im Walde geheimuißvolle kleine Hunde (v^2lata)
herum, und wehe dem, der es wagen würde, auf sie zu schießen. Wer im Walde übernachten
muß, kann sich nur dadurch gegen sie schützen, daß er drei Kreuze auf dem Baumstock
macht, bei dem er sich lagert. Und draußen auf deu Feldern, über Morästen, schweben die
Irrlichter (svötMa, das sind die Seelen umgetaufter Kinder, und locken die
Verirrten in Sümpfe, oder es leuchtet im Dunkel der Feuermann (oknivF inu/), oder
fliegt in der Höhe als eine Feuerkugel mit einem Feuerschweif (svötlonos). Dieser läßt
sich auf den Rauchfängen nieder, läßt hier Schätze hinunterfallen, dem plivnik oder
(Drache) ähnlich, der auch in der Nacht Alles in Fülle bringt: Getreide wie Geld, aber
schließlich die Seele Desjenigen verlangt, dem er so gewogen war.
Ein bleibender Gast, einHausgott ist der Zvtek (ski-itek, äiblik, kvspvcküliöek,
Hausgeist). Sein Cultus hat sich aus der Verehrung verstorbener Familienmitglieder, deren
Seelen beim Hausherde verbleiben und die Geschicke der Familie theilen, entwickelt. Das
Christenthum hat zwar diese Anschauungen verändert, aber nicht ausgemerzt. Aus gute«
Hausgöttern sind neckische Wesen höllischer Abkunft, die jedoch im Allgemeinen gut und
hilfreich sind, geworden. Dieser Hausgeist entsteht aus dem Ei einer schwarzen Henne, das
jedoch kleiner sein muß als ein Tanbenei. Wenn Jemand dieses Ei neun Tage und Nächte
unter der linken Achsel trägt, ohne sich zu kämmen und zu waschen und ohue zu beten, so geht
ihm daraus ein Hausgeist, der ihm dann dient, den er aber nie loswerden kann, hervor.
Manchmal verwandelt sich der Hausgeist in einen grauen oder schwarzen Kater, nnd wer
ihn hat, der kaun dann Schätze suchen, Diebe im Spiegel zeigen und Geister beschwören.
Manchmal birgt er sich als Schlauge unter der Hausschwelle und heißt dann Iwspocküi-
(der Wirth).
Die geschilderten Wesen und auch andere erscheinen am meisten und haben auch die
größte Macht in der Nacht vor dem heiligen Johannes dem Täufer. Wenn aus den Bergen
die Johannisfeuer aufleuchten, aus deren Funken die Johanniskäfer entstehen, da zeigen
sich bläuliche Flammen an Stellen, wo vergrabene Schätze liegen; in dieser Nacht blüht
das Farrnkrant mit goldener Blüte nnd verschiedene Geister und Hexen treiben sich herum.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch