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oder halbgemauerte Glockentürme mit einem großen gezimmerten Bretteraufbau, der ei«
hohes und spitziges Schindeldach trägt, wie man sie noch bei Nachod, Neustadt und
Leitomischl findet. Hölzerne Dorfgebäude finden wir jedoch überall in großer Anzahl,
zumeist freilich in mehr gebirgigen Gegenden, namentlich in der Umgebung von Juug-
Bnnzlan, Tnrnan, Jicin, im Königgrätzer Kreis an der Grenze und im böhmisch-mährischen
Hügellande. Doch selbst in der Ebene von Podebrad sind sie nicht selten, wie auch im
Süden und Westen von Böhmeu, obgleich sie hier im raschen Abnehmen begriffen sind.
Dafür weisen die Gegenden von Königgrätz, Rauduitz und Kolin zumeist Dörfer mit
gemauerten Gebäuden anf, die mit nicht unbedeutendem Aufwand aufgeführt wurden und
in der Stube moderne Einrichtung, auf dem Hofe moderne wirthschaftliche Geräthe zeigen,
so daß sie nicht blos Wohlhabenheit, sondern auch einen bedeutenden Fortschritt anf dem
Gebiete der Ökonomie aufweisen. Daß sie sich jedoch mit den einheimischen hölzernen
Gebäuden, was Originalität anlangt, nicht messen können, ist selbstverständlich.
Der Stil der böhmischen hölzernen Häuser ist das Resultat einer langen Entwicklung
und gewiß älter als die jetzigen Gebäude selbst, die aus einem Material aufgeführt werden,
das kein hohes Alter erreicht. Die hölzernen böhmischen Gebände sind alle gezimmert.
In älteren Zeiten baute mau nicht selten gleich vom Grunde aus mit Holz. Gewöhnlich
wird jedoch eine nicht hohe Untermauer aufgeführt und darauf ein Zimmerwerk aus
zumeist behanenen Balken gesetzt. Die Lücken (Iist)-) zwischen den Balken werden mit
einem hölzernen Einschlag (?aräSka), der mit in Lehm getauchten Strohzöpseu umwickelt
ist, gefüllt und dann mit Lehm verschmiert, oder sie werden auch mit Moos verstopft
(omSi se) und mit Lehm, der mit Spreu oder Häckerling gemischt ist, verschmiert. Wird
der hölzerne Bau hinfällig, fängt das Gebälk an, auseinander zu treten, so wird es
mit der Zwinge oder eisernen Schließe zusammengezogen (6a^i se ckv Iclesti). Wenn
das Zimmerwerk irgendwo zu faulen anfängt, so wird eine Operation vorgenommen.
Das modernde oder wurmstichige Stück wird herausgeschnitten und durch frische Balken
ersetzt; man sagt dann, das Haus wird unterzogen (poävlikä se). Manchmal werden die
Wände, und zwar alte und neue mit einem „Pelz" versehen so ,cko kvüetiu").
Es werden nämlich in das gesammte Zimmerwerk trockene Buchenpflöcke hineingetrieben,
dazwischen wird Mörtel angeworfen, dieser geglättet, übertüncht und das Gebäude „im
Pelz" sieht wie ein schön gemauertes aus. Auf das Zimmerwerk wird die Dachung gelegt,
und zwar entweder ohne Hängebalken (»na osla-), was die einfachste Art ist, oder „anf
einen Stuhl" mit Hängebalken. Die Balken, auf denen die Latten und überhaupt das
Gedeck ruht, heißen bei Klattan und Taus nach altem Herkommen ,lerne?)'«. Das Dach
wird im Dorfe mit Stroh oder Schindeln gedeckt. Im mittleren oder südlichen Böhmen
geht das Stroh in der Regel von der obersten Reihe (,sär* genannt) bis zum Rande
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch