Page - 531 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (1), Volume 14
Image of the Page - 531 -
Text of the Page - 531 -
531
Todten und die Zaubermächte auf den alten Malstätten. In Rosenthal, Ruppersdorf u.s.w.
läßt man aus demselben Grunde einen frischaufgeschnittenen Brotlaib in der Christ-
nacht auf dem Tische liegen „für die himmlischen Gäste". In manchen Häusern wird in
gleicher Absicht der Tisch überhaupt nicht abgedeckt. Haben Natur uud Geister ihre Ehrung,
so geben sie auch Zukunftskunde. Der Bauer geht in der Weihnacht zu den Obstbäumen
und rüttelt sie, damit sie fruchtbar werden. Auch die Mädchen schütteln die Bäume und
lauschen hierauf, woher der Wind kommt oder der erste Laut erschallt. Dort ist der
Bräutigam. Klirrt Eisen, ists ein Schmied, knarrt Holz, so bedeutet es einen Zimmermann,
n. s. w. Die ältereu Männer beobachten den Himmel und erkunden die Zukunft nach dem
Loossprnch: Helle Mette, finstre (— volle) Scheunen; finstre Mette, helle Scheunen!
Pferd und Rind und jedes Hausthier erhält etwas vom Weihnachtsfestbrot, ja selbst
der Hausbruuneu, damit er nicht versiege. Alle Kräfte der Natur sollen an dem großen
Feste theilhaben! So werden in Nordostböhmen auch die Fruchtbäume gerüttelt uud
geradezu mit folgendem Spruch eingeladen: „Ihr Bäumlein, knmmt olle rein, aßt olle
mit, aßt, doßt'r strutt, trot, doßr biegt!" Am häufigsten und mannigfaltigsten sind die
Weihnachtsbräuche der Mädchen und Frauen in der Christnacht. An der Elbe, auch zum
Theil an der Biela und Eger ist das „Schlüsselklingen" in Übung. Das Mädchen geht
vor der Christmette einsam zu einem Rainstein, läßt die sogenannten Erbschlüsseln klingen
und sagt den Spruch: Schlüßlein, Schlüßlein klinge, Hündlein, Hündlein bille, sage, wo
mein Liebster wohnt (Aussiger Gebiet). Allgemein verbreitet ist das Hühnerbefragen
(Hühnersteigklopfen, Saazergau; „Hühnersterlen", althochdeutsch stiurau aufstören,
Aussig, Leitmeritz; „Hühnerstochern", Hohenelbe, Riesengebirge). Meldet sich der Hahn,
so küudet er den Bräutigam an. In ähnlichem Sinne wird das „Scheitholen", „Stecken-
zählen", „Knüppeltragen" geübt. Eine gerade Zahl der im Dunkeln erfaßten Holzstücke
bedeutet eine glückliche Zukunft; krnmme Scheite künden einen buckligen Mann. Auch das
Wasser- und Brunnenschauen, Reisigbrechen, Feuergucken um Mitternacht wird gern
gepflegt, ebenso das „Lichtelschwimmen" (kommen zwei besonders bezeichnete im Wasser
schwimmende Nußschalen mit ihren brennenden Lichtchen zusammen, so deutet dies auf
glückliche Heirat, jähes Erlöschen eines derselben auf nahen Tod; Mittel-Eger, Erzgebirge,
Warnsdorf, Reichenberg). Die Mittel und Arten dieser Zukunftsschau des Volkes sind
nach allen Seiten reich entwickelt. Will Bauer oder Knecht etwas über Krieg und Frieden,
Leben und Sterben, Frucht oder Unfrucht im nächsten Jahre erfahren, so muß er sich in
der Christnacht in die Pferdekrippe legen. Um Mitternacht heben die Rosse zu reden an.
Doch schon Mancher hat hierbei von der Znknnft so Schweres erfahren, daß er daran
starb, erzählt das Volk. Um in den Unternächten, in welchen für das ganze Jahr „das
Wetter gemacht wird", zu erforschen, ob der nächste Sommer naß oder trocken sein wird,
34»
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (1), Volume 14
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (1)
- Volume
- 14
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1894
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.78 x 21.93 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch