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Zeit an die Seite stellten. Ein bleibendes Verdienst hat er sich aber um Wien und das
Wiener Musikleben dadurch erworben, daß er 1771 den „Pensionsverein für Witwen
und Waisen österreichischer Tonkünstler" ins Leben rief, der noch jetzt als „Tonkünstler-
societät Haydu" eine segensreiche Wirksamkeit entfaltet und den Namen seines edlen
Urhebers wohl für immer der Vergessenheit entrissen hat.
Leopold Kozeluch (aus Welwaru, 1752 bis 1818) führte sich in Wien zunächst
als brillanter Pianist und Lehrer ein, um schließlich der Nachfolger Mozarts als Hos-
componist und Kammerkapellmeister zu werden. Auch J o h a n n B. W a n h a l (1739 bis
1813), der als Leibeigener sich schon durch den Ertrag seiner ersten künstlerischen
Bemühungen freizukaufen vermochte, und Abbe Josef Gelinek (Jelinek, 1757 bis 1825),
dessen zahme Klavierstücke in den weitesten Dilettantenkreisen soviel Anklang fanden, daß
„Gelinek'sche Kompositionen" in Paris sozusagen gewerbsmäßig erzeugt wurden, gehörten
vor etwa hundert Jahren dem Kreise der Wiener Modepianisten an. Und ihnen darf
wohl auch noch der Budweiser Adalber t Gyrowetz beigesellt werden, obwohl dieser
einst so beliebte, vielseitige und fruchtbare „göttliche Philister" erst 1850, von dem Strome
der neuen Kunst ganz und gar in den Hintergrund gedrängt, als siebenundachtzigjähriger
Greis starb.
Diese Umschau außerhalb der Grenzen Böhmens war nothwendig, um die
musikalische Bedeutung des Landes, das nicht blos die Wiege, sondern auch die Schule so
vieler tüchtiger Künstler geworden ist, ins rechte Licht zu stellen. Doch kehren wir wieder
in das Land selbst zurück, dessen reges und reiches Musikleben im XVIII. Jahrhundert zur
unerläßlichen Vorbedingung jedenfalls den angeborenen Tonsinn des Volkes hatte, aber
in seiner üppigen Entwicklung und namentlich in jener Hyperproduction von Berufs-
musikern ohne Zweifel auch noch von anderen Ursachen mitbestimmt wurde. An erster
Stelle werden dabei immer, und das mit Fug und Recht, die Landschulen Böhmens
genannt. Jeder Schulmeister war zugleich Musiklehrer, und da er in kleineren Orten meist
auch Leiter der Kirchenmusik war, lag es in seinem Interesse, stets für einen entsprechenden
Nachwuchs von ausübenden Kräften, Sängern und Jnstrumentalisten zu sorgen. Der
Musikunterricht wurde dann an den Lateinschulen nicht minder eifrig fortgesetzt, da ja die
Klostergeistlichkeit selbst, in deren Händen sich diese Schulen befanden, fast durchaus
musikalisch war; die Prager Universitätsstudenten aber mußten sich zum guten Theil ihren
Lebensunterhalt mit Hilfe der Tonkunst verdienen — bekanntlich war seinerzeit auch Gluck
in dieser Lage. Zahlreiche, mitunter nicht unbedeutende Stiftungen und Dotationen halfen
die Kirchenmusik fördern, und wenn auch die Blütenepoche der Literatenchöre längst vor-
über war, so bestanden doch untilgbare Spuren ihrer einst so wohlthätigen Einwirkung in
vielen Landstädten fort. Die weltliche Musik hatte wieder einen schätzenswerthen Rückhalt
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch