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in den Privatkapellen der reichen Adelsgeschlechter: manchem Talente wurde durch sie
eine glänzende Carriere eröffnet. Viele Cavaliere ließen nämlich ihre besonders begabten
jungen Unterthanen auf eigene Kosten gründlich ausbilden und verlangten von Jedem, der
in ihre Dienste treten wollte, auch musikalische Fertigkeiten; so kam es denn, daß diese
Kapellen mitunter bis an vierzig gut geschulte Spieler aufwiesen, mit einen: tüchtigen
Dirigenten an der Spitze. Auch Haydn hat seine Kapellmeisterlaufbahn in den Diensten
eines böhmischen Cavaliers, des als guter Mnsiker bekannten Grafen Ferdinand M. Morzin
(1759, in Unterlnkavec), begonnen. Gerühmt wurden auch die Kapellen der Grafen Thun,
Pachta, Nvstitz, der Fürsten Lobkowitz und Andere mehr. Nicht selten hat auch die
Reiselust der Böhmen, namentlich in jenen Gegenden, wo Glas- oder Leinwandhandel
genug Veranlassung dazu boten, auf den Landschulen vorgebildeten Talenten die weite
Welt erschlossen und sie dadurch dem Künstlerberufe zugeführt.
Gar vieles äuderte sich indeß gründlich gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts.
Unter Kaiser Josef II. wurden zahlreiche Klöster aufgehoben, die Stiftungen redncirt,
die Literatenchöre aufgelöst. In den kriegerischen Neunziger-Jahren sahen sich nicht wenige
Cavaliere genöthigt, ihre Privatorchester aufzulassen, andere gaben Wien als Wiutcr-
residenz den Vorzug vor Prag, wieder andere beschränkten die Thätigkeit ihrer musikalischen
Dienerschaft auf ihre Sommerschlösser, so daß in der Hauptstadt Böhmens die einst so
gerühmten Adelskapellen zur Seltenheit wurden. Dazu kamen nun einerseits die großen
socialen Umwälzungen der Revolutionszeit, andererseits die gesteigerten technischen An-
sprüche, mit denen die herrlich aufblühende classische Epoche an den ausübenden Musiker
herantrat: das bisherige, einst so wohlthätige patriarchalische Mäcenaten- und Dilettanten-
thum hatte sich überlebt, es mnßte der öffentlichen Organisation der Kunstpflege weichen,
der Musiker selbst strebte nach persönlicher wie künstlerischer Emancipation. Es konnte
nicht ausbleiben, daß den auf solche Weise iu ihren Grundfesten erschütterten musikalischen
Verhältnissen Böhmens und namentlich Prags ein offenbarer Niedergang zu drohen schien,
der die wahren Kunstfreunde mit Besorgniß erfüllte. Wird doch 1808 von bewährter
Seite constatirt, daß „die in Böhmen sonst so blühende Tonknnst bereits so sehr herab-
gekommen ist, daß es sogar in der Hauptstadt Prag schwer fällt, ein gutes Orchester
vollständig zusammenzubringen, und selbst bei diesem mehrere Instrumente nicht gehörig
und nach Wunsch besetzt sind".
Alles wandte sich jedoch zum Guten. Die musikalische Noth drängte unwiderstehlich
zur Selbsthilfe, nnd in den kurzen Zeitraum weniger Jahre fallen drei hochbedeutende
Ereignisse, welche die Musik Böhmens auf durchaus ueue Gruudlageu stellen halfen: 1803
wurde die Prager „Tonkünstlersocietät" gegründet, 1807 an dem nunmehr (seit 1798)
ständischen Theater die italienische Oper aufgelassen uud 1811 das Couservatorium eröffnet.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch