Page - 36 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Volume 15
Image of the Page - 36 -
Text of the Page - 36 -
36
Publikum mit solcher Begeisterung aufgenommen, daß sie für die nationalen Bestrebungen
der Böhmen die Bedeutung eines denkwürdigen Kuustereiguisses gewonnen hat. Da nämlich
bald darauf weitere Versuche (unter zunehmender Mitwirkung von Opernsängern) nicht
minder geglückt waren — es wurden n. a. „der Wasserträger"» „der Freischütz", «Josef
nud seine Brüder", „Don Juan" und selbst Nossinische Opern in böhmischer Sprache
aufgeführt —, so faßten der Dichter I. K. Chmelensky nnd der Jurist uud Mnsik-
dilettaut Franz Skronp (Skranp, geboren 1801 in Vositz bei Chrndim, gestorben 1862
in Rotterdam) den Muth, eine Originaloper zu schaffen. Dieses Erstlingswerk war der
am 2. Februar 1826 mit Jubel empfangene „vrüterul(° (der Drahtbinder), eine komische
Oper mit gesprochenem Dialog, deren bescheidene, aber eine gewisse Bühnenroutine
verrathende Musik zunächst Mozart, Cherubim, Mehul nachstrebt, ohne indeß eine
ausgesprochene künstlerische Individualität oder ausgeprägt nationalen Charakter zu
zeigen. Skronp, der die Titelrolle sang nnd überhaupt die Seele des gauzeu Unter-
nehmens war, sah sich infolge dessen bald in der angenehmen Lage, die juridische Lauf-
bahn verlassen zu können, da er 1827 zweiter und nach zehn Jahren erster Kapellmeister
des ständische» Theaters wurde, das an ihm eiueu seiner besten Dirigenten für volle
dreißig Jahre gewann. Den Erfolg des „Oräterul^ vermochten jedoch, bis in die
Sechziger-Jahre hinein, weder Skronp selbst mit zwei weiteren böhmischen Opern, noch
seine vereinzelten Nachfolger, unter denen sich auch sein jüngerer Bruder, der spätere
Domkapellmeister Johann Nep. Skronp (1811 bis 1892) befand, zu erreichen,
geschweige denn zn überbieten. Einen bleibenden Gewinn hatte von alledem zwar nicht
die nationale Musikliteratur, wohl aber das böhmische Publikum, dem uuu ab uud zu
wenigstens fremde Operu iu seiner Sprache geboten wurden. Übrigens sind auch die
deutschen Opern Franz Skronps, von denen blos der „Meergeuse" seinerzeit nicht nur in
Prag, sondern anch in Rotterdam Erfolg hatte, längst vom Repertoire verschwunden;
aber Eiue seiner Cvmpositionen lebt heute noch im Munde des ganzen böhmischen Volkes
geradezu als Nationalgesang fort und sichert seinem Urheber für immer eine ehrende
Erinnerung: das ckomov (Wo ist mein Vaterland?), das zum erstenmale
am 21. December 1831 in I. K. Tyls Gesangsposse ^iälovaöka" (Name eines noch
heute beliebten Prager Volksfestes) als Lied eines blinden Geigers von dem trefflichen
Bassisten K. Strakaty gesungen wurde — wohl die schönste, wenngleich durchaus nicht
böhmisch-national gefärbte Melodie, welche Skroup geschaffen.
Die erfreuliche Wandlung in den Musikverhältnissen Böhmens ist, wie wir gesehen,
zunächst dnrch die Opferwilligkeit des Adels angebahnt und dann durch den redlichen
Eifer der hauptstädtische» Touküustler ius Werk gesetzt worden. Doch würde man irren,
wenn mau dem „kleinen Manu" auf dem Lande jeden Antheil daran und jedes Interesse
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch