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Außerhalb Böhmen wurde das neue Leben, welches sich seit 1862 in den
böhmischen Musikkreisen regte, kaum beachtet. Nicht die rauschenden Prager Ersolge seiner
größeren Kompositionen waren es daher, welche die Blicke in der Fremde auf das Talent
Dvoräk's lenkten, sondern der im Grunde genommen zufällige Umstand, daß er 1878 dem
Gesuche um Wiederverleihung eines Staatsstipendiums unter Anderem die kurz zuvor
erschienenen .Uvravskv ° (Mährische Duette) beilegte: dadurch wurden zunächst
Brahms und Hanslick für ihn gewonnen, und als dann Simrock in Berlin die „Slavischen
Tänze" als Gegenstück zu Brahms „Ungarischen Tänzen" bestellte, war Dvoräk's Glück
begründet. Nirgends aber, außerhalb Böhmen, hat er soviel Sympathien gefunden als in
England. Einem 1883 in London aufgeführten, aber schon in den Siebziger-Jahren ent-
standenen schönen ,3wbat inater" hat er dies zu verdanken, das ohne Frage auch heute
noch zu seinen besten Schöpfungen gehört und, was musikalischen Gehalt anlangt, selbst
von den späteren Chorwerken nicht übertroffen wird, obgleich sich unter ihnen größer
angelegte und anspruchsvollere befinden, wie die Ballade ,8valebni koSils" (die Geister-
braut), das Oratorium .Lv, l-uckmila" und ein Requiem — sämmtlich sür England
geschrieben. Nun blieben auch osficielle Ehren nicht aus: der Monarch zeichnete Dvorak
durch den Orden der eisernen Krone aus und ernannte ihn bei der Constituirung der
böhmischen Akademie zum Mitglied derselben, die böhmische Universität verlieh ihm das
philosophische Doctorat, die in Cambridge promovirte ihn zum Doctor der Musik, das
Prager Conservatorinm übertrug ihm die Professur der Compositiou und schließlich wurde
er als Director des Nationalcoufervatoriums nach New-Aork berufen.
Der jüngste unter den drei Meistern, die hier als die berufenen Vertreter der
böhmischen Tonkunst der Gegenwart charakterisirt werden müssen, ist der am 21. December
1850 in Seboritz bei Cäslau geborene Zdenko Fibich. Schon während seiner Gymnasial-
studien in Wien und Prag widmete er sich der Musik mit soviel Eifer und Selbstvertrauen,
daß er als vierzehnjähriger Knabe in Ehrudim einen Symphoniesatz eigener Composition
dirigiren konnte. Diesem gerechtes Aufsehen erregenden Talente wurde nun die sorgfältigste
Pflege zu Theil; 1865 bis 1867 war Fibich Schüler von Moscheles und Richter am
Leipziger Couservatorium, sowie von Jadassohn und beendete nach längerem Aufenthalte
iu Paris seine Studien bei Vincenz Lachner in Mannheim, von wo er 1870 in die Heimat
zurückkehrte, die er, abgesehen von einem einzigen Jahre, das er (1873 bis 1874) in Wilna
als Musiklehrer zubrachte, nun nicht mehr verließ. Sein künstlerischer Bildungsgang hatte eine
frühe technische Reife zur Folge, die selbst bei dem Anfänger ein jugendlich übermüthiges,
blindes Umhertappen nmsomehr ausschloß, als Fibich in Leipzig zu einem aufrichtigen
Schnmannianer wurde, um von diesem Ausgangspunkt durch einen zwar raschen, aber
dnrchaus nicht plötzlichen, sondern stetigen und organischen Übergang zu der selbstständigen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch