Page - 92 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Böhmen (2), Volume 15
Image of the Page - 92 -
Text of the Page - 92 -
92
literarischen Reihen in ausgiebiger Weise, aber ihre Grnndansicht von der Eitelkeit alles
Irdischen und theilweise mich die endlosen Verfolgungen, denen sie ausgesetzt war, gaben
dem Schriftwesen einen düsteren, ja beinahe ascetischen Charakter. Die ausländische
Reformation, der sich die Utraqnisten größtentheils anschlössen, brachte ebenso wenig Auf-
frischung, vielmehr hatte sie unendliche Zerwürfnisse zur Folge uud machte die Literatur
uicht nur eintönig, sondern entzog ihr anch beinahe jede Originalität.
Dem entsprechend ist die weltliche Dichtung, wo immer sie auftritt, allen Reizes
und jeder Anmuth bar. Zur Zeit Wladislaws II. begeguet man einer verwässerten Nach-
ahmung des einstigen Minnegesanges im ,^1^'ov^ sen- (Maientraum), einem erotisch-
rhetorischen Fragmente, welches mnthmaßlich Heinrich von Münsterberg (gestorben 1492),
den Sohn Georgs von Podebrad, znm Verfasser hat. Die späteren Prodnete sind fast
dnrchgehends bloße Reimereien von silbenzählenden Versen, inhaltlich flach und oft einer
wunderlich steifen, ungelenken Prosa ähnlicher als wirklichen Gedichte«.
Das Gebiet der Epik beherrsche» fast ausschließlich geistliche Stoffe aus der Bibel
uud der Legende. Was außer dieseu uoch auftritt, ist vorwiegend Gelegenheitsprodnct und
bezieht sich auf verschiedene meist gleichzeitige Ereignisse. Sonst begegnet man Bearbeitungen
fremder Vorlagen, wie zum Beispiel iu der interessanten . k r o n i k a o rvkovein
Lu^sriclvvi* (Vom hörueu Seyfried).
Iluverhältuißmäßig zahlreicher uud gelungener sind Tendenzgedichte, bald
belehrender, bald warnender oder anch tadelnder Natur. Einzeln treten sie schon zur
Zeit Wladislaws auf. Rein belehrend sind die ,?ravick>u p l i s to ln i - (Tischregeln)
und Ludwigs von Pernstein rockiöüm«, das heißt die Belehrung „eines
Wickelkindes an die Eltern, wie sie dasselbe bis zur Reife und Selbständigkeit zu leiten
haben", aber selten wird man hier eine Spur vou Poesie entdecken. Dasselbe gilt im Ganzen
anch von den didaktischen Versuchen eines Panl Aqnilinas Vorlicuy (gestorben 1599),
eines Adam Sturm vou Weißkirchen (gestorben 1565), eines Georg Streye von Hohenstadt
(gestorben 1599), eines Georg Earolides (gestorben 1612) und Anderer. Gewandtheit im
Versificiren bildet den unleugbaren Vorzug Simon Lomnieky's vouBudec (1552 bis
1622), den man den böhmischen Hans Sachs nennen könnte; schade nur, daß Redseligkeit
uud Mangel an Geschmack seine mitunter keruigeu Gedanken — wie zum Beispiel in der
Ilisti-ulcci mlnävmu kvspoctüki(Kurze Belehrung für einen jungen Hanswirth 1586)
nicht eiumal aufkommen lassen. Dem Gebiete der Satire gehört von älteren Gedichten
marno t ru tnos t i« (Spiegel der Verschwendung) an, welches wahrscheinlich
von demselben Verfasser herrührt wie der „Maientraum", aus späterer Zeit »K02-
mlouvüni ? e t i a svalökc» 8e (1585), Gespräch des heilige» Petrus mit
dem Herrn über die Gewohnheiten und Sitten der jetzigen Welt, eine Übersetzung aus
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch