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Veranlassung brachte ein Unbekannter eine Legende von Christi Advent in Verse.
Für Ulrich von Neuhaus hat auch ein gewisser Friedrich eine Abschrift des „Alexander"
Ulrichs von Eschenbach angefertigt und dabei eine Reihe von eigenen Versen in die
Dichtung eingefügt. Borso von Riesenburg wurde schon erwähnt. Der kluge und mächtige
Raimund von Lichteuburg und der abenteuerfrohe Johann von Michelsberg erscheinen
als Gönner Heinrichs von Freiberg. In einer Zusatzstrophe zum Wartburgkrieg wird
.Johann von Cernin als unübertrefflicher Ritter und als freigebiger Herr gepriesen nud
in ähnlicher Weise wird in einem anderen Gedicht Johann von Klingenberg gefeiert.
Kaum ist etwas bezeichnender für den Aufschwung, den das Deutschthum in Böhmen im
XIII. Jahrhundert genommen hat, als diese Thatsache. Unter Wenzel I. ist Niemand dem
deutschen Dichter hold als der König — unter seinem Enkel begünstigen viele Adlige,
die nach neuerbauten Burgen auch zumeist deutsche Namen führen, die deutsche Dichtung;
der junge König selbst erscheint als deutscher Dichter, auch in den Söhnen der deutschen
Colonisten erstehen deutsche Dichter im Laude. Denn wie Ulrich von Eschenbach ist auch
Heinrich von Freiberg in Böhmen geboren und wohl auch der ungefähr gleichzeitige
Millich von P rag , von dem uns ein Tanzlied erhalten ist.
Der bedeutendste im Kreise dieser Dichter ist Heinrich von Freiberg. Das
Geschlecht, dem er entstammt, ist aus Freiberg in Sachsen eingewandert und darnach
benannt. Auf den Besitzungen der Lichtenburger, die vor Allem dem Bergbau ihre»
Reichthum verdankten, finden wir mehrere Freiberger. Heinrich mag etwa 20 Jahre
jünger sein als Ulrich von Eschenbach. Sein erstes Werk ist eine Legende, die Sage vom
heiligen Kreuz, nach lateinischer Vorlage erzählt. Dann verherrlichte er die Ritterfahrt des
Johann von Michelsberg nach Paris durch seine Verse. Diese Turnierfahrt fand im
letzten Jahrzehnt des XIII. Jahrhunderts (zwischen 1293 und 1297) statt uud das Gedicht
ist noch zu Lebzeiten des Ritters (vor 1306) abgefaßt. Er erscheint in der Dichtung noch
als Nachahmer Wolframs. Dann wendete er sich aber ganz Gottfried von Straßburg zu
und sein Hauptwerk ist die Ergänzung von dessen „Tristan", die ihm nach überein-
stimmendem Urtheil der Kenner so gnt gelang, daß keiner der späteren Dichter den großen
Meistern so nahe gekommen ist. Auch hat er eiu lustiges Märchen von einem Schretel
(Kobold) uud einem Wasserbären in schöueu Verseu erzählt.
So finden wir in Böhmen am Ende des XIII. und noch zu Beginn des XIV. Jahr-
hunderts eine nicht nnbedentende Nachblüte der mittelhochdeutsche» Literatur. Aber auch
die Nachblüte war rasch verwelkt. Ganz andere Bestrebungen treten in den Vorder-
grund. Gerade hier in Böhmen erscheint der letzte volle Glanz der untergehenden Zeit,
hier das erste Morgengrauen der Neuzeit. Um 1310 mag der Tristan Heinrichs von Frei-
berg vollendet sei»: um die Mitte des Jahrhunderts waltet hier Karl IV., der scharfe,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch