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Säulen und jenen des vermauerten Kapitelsaalportals ist ebenso edel, wie die Ausstattung
der Fenstcrleibungen mit gothischen Laubwerkverzierungen in Terraeotta originell.
Die in ihrer ganzen ursprünglichen Ausdehnung noch bestehende gothische Kreuzgangs-
anlage, deren Kreuzgewölbe im östlichen Flügel die im rechten Kirchenschiff begegnende,
mithin wohl gleichzeitige Anordnung ausweisen, besitzt sorgfältig gearbeitete Wandsäulen
und in den vermauerten Spitzbogenfenstern frühgothische einfache Maßwerkmotive; die
verhältnißmäßig geringen Überreste, welche der in den Kreuzgangsräumen heute waltende
Fabriksbetrieb nicht zur Benützung heranzog und adaptirte, zählen zu den schönsten
Leistungen der Frühgothik in Böhmen, welcher auch die Privatkapelle des Abtes angehört.
Das Freibleiben der Goldenkroner Bauten von romanischen Reminiscenzen erklärt sich
gegenüber dem Auftauchen letzterer in dem benachbarten Hohenfurt dadurch, daß die
eigentliche Bauzeit in Goldenkron, wo schon die Gothik allein zur Sprache kam, etwas
später begann und über das erste Viertel des XIV. Jahrhunderts nicht hinausreichte.
Hielten Hohenfurt und Goldenkron die meist bei deutschen Cistercienserbanten aus-
tretende Basilieaform des Typus von Fontenay fest, so führten die im Innern des Landes
liegenden Cistercienserklöster, deren Kirchen am Ende des XIII. und in der ersten Hälfte
des XIV. Jahrhunderts erbaut wurden, eine andere Grundform ein, welche einen noch
großartigeren Aufbau ermöglichte und die Entwicklung der Gothik in Böhmen ungemein
förderte. Die bis 1320 vollendete St i f tskirche von Sedlec , deren Mauerwerk auch
die schweren Beschädigungen der Husitenkriege überdauerte, griff auf das französische
Kathedralensystem zurück, das bei den Cistercienfern nach dem Vorbild des hochwichtigen
Clairvanx in Aufnahme kam. Jenseits des dreischisfigen Querhauses, das nur mäßig über
das füufschiffige Langhaus vortritt, setzen sich um den aus dem Achteck gezogenen Chor
auf jeder Seite beide Seitenschiffe als Chorumgang fort, den sieben polygonal schließende
Kapellen umziehen. Sedlec lehnte sich mit der Fünffchiffigkeit des Langhauses an das
System berühmter französischer Kathedralen an und blieb auch dadurch, daß das Mittelschiff
im Verhältniß zu seiner Breite ungewöhnlich hoch ist, in gleicher Höhe mit Querhaus
und Chor die Grundform des Kreuzes über den niedrigen Seitenschiffen betont und das
Querhaus nur um ein Joch vortritt, auf dem Boden des französischen Kathedralenbaues,
dessen Schöpfungen der um den Kirchenbau hochverdiente Abt Heidenreich offenbar bei
seinen Reisen zum Generalkapitel aus eigener Anschauung kennen gelernt hatte. Da das
Innere seine ursprüngliche Ausstattung und Wölbung, das Stab- und Maßwerk der
Fenster verlor und das Äußere bei der unter Abt Heinrich Snopek durchgeführten
Restauration den Rest seiner charakteristischen Details einbüßte, so ergeben sich außer dem
Typus der Anlage keine weiteren wichtigen Aufschlüsse. Dem Beispiel der Mutter folgte
die Tochter; denn die Kirche des von Wenzel II. gestifteten, von Sedlecer Mönchen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch