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Hunderts überhaupt einhält. Das in derselben Zeit entstandene Sedlecer Antiphonar zeigt
vereinzelt auch die Anlehnung an ein byzantinisches Vorbild, während in dem nach
Stockholm entführten Riesencodex, welchen Sobeslav im Kloster Podlazitz schrieb, die
mehr locale Auffassung zu Tage trat. Züge der letzteren begegnen uns auch in einigen
Handschriften der Prager Universitäts- und Kapitelbibliothek, deren Herstellung in Böhmen
jedoch nicht immer mit Sicherheit aus inneren Gründen zu erweisen ist.
Seit die Gothik imLande Boden gefaßt hatte und an Ausbreitung gewann, lenkte
die Plastik gleich der Malerei in andere Bahnen ein. Die Cistercieuser behielten anfangs die
Führung. Das Tympanonrelief des Hohenfnrter Sacristeieinganges, die dekorativen Details
des dortigen Kapitelsaals und jene in den ursprünglichen Theilen der Goldenkroner Anlage
zeigen bei sicherer Handhabung des Meißels saubere und geschmackvolle Abrundnng.
Die Grabsteine der Äbte blieben wie der des Abtes Paul vou Hradiste einfach, während
Königsaal für seinen königlichen Stifter Wenzel II. zunächst ein prächtiges in Stein
gearbeitetes Grabmal und an dessen Stelle bald darauf eine von dem Meister Johann
von Brabant gegossene Erzplatte aufstellen ließ. Daß um die Mitte des XIII. Jahrhunderts
offenbar ein anderer Geist die plastischen Arbeiten zu beherrschen begann, beweist die
besondere Anerkennung, welche man den senlpirten Säulen des unter dem Domdechanten
Veit vollendeten Domkreuzganges zollte. Den Marktplatz der Prager Altstadt zierten
steinerne Standbilder, zum Andenken an Wenzel I. errichtet. Elseubeinarbeiten erwarb
man — wie Abt Bawor von Brevuov am päpstlichen Hofe — meist in der Fremde. Schon
um 1300 wurde eine große, aus Holz geschnitzte Statue für die Politzer Propsteikirche um
9 Mark Silber angeschafft; Reisealtärchen aus weißem oder rothem Marmor waren nicht
selten. Vereinzelt lieferte noch eine Mönchshand plastische Arbeiten, so Abt Bndissins von
Strahov (1290 bis 1297) eine Marienstatue für den Chor seiner Stiftskirche.
Große Sculptnrwerke der Frühgothik haben sich nicht erhalten, was auf uns
gekommen ist, gehört vorwiegend der reich entwickelten und der verfallenden Gothik an. Die
künstlerisch bedeutendsten Werke stammen aus der Zeit vor den Hnsitenkriegen. Bedeutender
als das fast ganz verwitterte Relief von der Maria-Schnee-Kirche des ehemaligen Prager
Karmeliterklosters ist die Bischofsstatue an dem Fa^adenstrebepfeiler der Nimburger Stadt-
kirche. Eiue geradezu einzig dastehende Leistung des Erzgnsses jener Zeit bleibt die heute
im dritten Burghofe aufgestellte Reiterstatue des heiligen Georg, 1373 durch Martin
und Georg von Klausenburg, die Söhne des Klansenbnrger Malers Nikolaus, gegossen.
Die beiden auch in Ungarn angesehenen Erzgießer verliehen dem etwa in halber Lebens-
größe ausgeführten Werke eine überraschende Lebendigkeit, die besonders in der Bewegung
des Pferdes uud in der Durchbildung seines Leibes eindringendes Naturstudium verräth,
weuu auch die Haltung des drachentödteudeu Reiters von einer gewissen Befangenheit
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch