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Wahlplatz" doMi) in Prag im Jahre 1890 vermehren noch ihre Zahl. Den größten
Theil davon birgt bis jetzt der berühmte Schatz des Sanct Veitsdomes in Prag. Von der
Reichhaltigkeit dieses Schatzes zur Zeit Karls belehren uns zahlreiche Jnventare, welche
von seinen Bewahrern mit großem Fleiße angelegt wurden. So zählt zum Beispiel das
Verzeichuiß des Dechanten Bohnslav und des Priesters Smil vom Jahre 1387 27
Schreine auf, in denen an 140 Gegenstände, Reliqniarien in Kopfgestalt, Figuren, Hände,
Tafeln, Schreinchen, Monstranzen, Kelche, Ostensorien und Ciborien aufbewahrt wurdeu.
In diesen Schatz kamen auch die Krönungsinsignien des Königreiches Böhmen, vor Allem
die Krone, welche Karl IV. im Jahre 1347 verfertigen ließ, — „welche Krone der Kaiser
dem Dom widmete, um damit das Haupt des heiligen Wenzel zu schmücken; dieselbe gab
er zur Aufbewahrung dem Dechant des Prager Domes, dem Cnstos und dem Sacristan,
welche sämmtlich böhmischer Nationalität nud Zunge sein müssen, und mit dieser Krone
werden die böhmischen Könige gekrönt und sollen auch in Hinkunft gekrönt werden", wie
ein Inventar des Dechanten Vrativoj aus dem Jahre 1368 meldet. So verbindet die
heilige Wenzelskrone eigentlich einen doppelten Zweck, sie ist ein Krönungszeichen und
zugleich eine Art Reliqniarium, und zwar ein zweifaches, indem es das Haupt des Landes-
patrons schmücken soll und zugleich eiueu Überrest der kostbarsten aller Kronen, einen Dorn
aus der Krone des Heilands enthält, der sich im Kreuze au ihrem Gipfelpunkt befindet.
Die Form der Krone ist einfach und stimmt mit jener auf den Groschen des Königs
Wenzel II. und mit der dem Habsburger Rudolf ins Grab mitgegebenen Krone überein: ein
Diadem mit Lilien, dessen einzige Zierde die in hohen Chatons angebrachten und zu regel-
mäßigen Mustern zusammengereihten Rubine, Saphire und Perlen bilden, von denen
manche alte Cameeu byzantinischen Charakters sind und vielleicht noch von der ursprüng-
lichen Krone herrühren.
Die Ausschmückung der Gegenstände mit Edelsteinen, die in verschiedenen Farben
erstrahlten, war in Böhmen überhaupt beliebt. Sie beschränkte sich nicht blos auf Arbeiten
der Goldschmiedekunst, sondern wurde auch an den metallenen Deckeln kostbarer Bücher,
ja selbst auf Tafel- namentlich Madonnenbildern angewandt. Manchmal vervollständigt
der Goldarbeiter das Werk des Malers dadurch, daß er die Bildfläche mit Plättchen aus
gehämmertem Silber umgibt, und wenn sich auf diese Art die Goldschmiedeknust mit der
Malerei berührt — uicht umsonst waren beide in derselben Innung vertreten —, so wett-
eifert sie in anderen Fällen mit der Kunst des Architekten und des Plastikers. Manche
Reliqniarien, Monstranzen und Ostensorien haben rein architektonische Formen; Stützen,
Fialen und Baldachine ragen empor und wetteifern an Leichtigkeit und Eleganz mit Werken
des Steinmetzen; kleine Dimensionen und das feste Material ermöglichen so manche origi-
nelle Construction uud dabei zeichnen sich die Profile, Bogenzierathe (Maßwerk), Rosetten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch