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neuerdings die Kirchenschätze mit Produkten des menschlichen Fleißes gefüllt. Doch auch
diese fielen bald demselben Schicksal wie die Werke der vorhergehenden Generationen
anheim.
Die Grundlage zur neuerlichen Entfaltung der Gewerbe und der Knnst wurde
unter Georg von Podebrad gelegt, der mit fester Hand im Lande die Ordnung hergestellt
hatte, den Wohlstand hob und für die Ausübung der Gewerbe sorgte. In dieser Zeit
wurde die Organisation der Arbeit auf der Grundlage der Innungen abgeschlossen; in
der Innung werden alle Forderungen und Verhältnisse der Gewerbsleute, ja sogar auch
ihre intimen Angelegenheiten geregelt; die Aufnahme in ihren Kreis geschah auf Grund-
lage der Nachfolge vom Vater auf deu Sohu oder nach Vorlegung eines Meisterstücks,
und selbst nach dem Tode, nachdem die Innung ihren Genossen bis zum Grabe begleitet
hatte, ordnete sie die Verhältnisse seiner Werkstätte. Den Innungen werden zugleich
Privilegien zur ausschließlichen Ausübung des Gewerbes ertheilt; außerhalb derselben
ist es nicht möglich zu wirken, außer durch Schliche oder iu der Souue der Hofguust.
Auf dieser Grundlage blühen in der nach Georg von Podebrad folgenden Zeit die
Knnst nnd das Gewerbe rasch empor und unter ihren vorzüglichen Beschützern finden wir
selbst den König Wladislaw; der Friede nnd der Wohlstand, deren sich das Land erfreute,
vor Allem die glänzenden Einkünfte aus den Knttenberger Bergwerken ermöglichten
künstlerischen Aufwand. Nach langer Zeit wurden wiederum vou einem König die Schätze
des St. VeitsdomeS durch kostbare Producte der Goldschmiedeknnst vermehrt, indem er
Köpfe der böhmischen Patrone im Jahre 1503 von seinem Goldarbeiter, dessen Namen
unbekannt ist, verfertigen ließ. Die Goldschlägerarbeit dieser Neliqnienbüsten wetteifert
mit dein älteren Meisterwerke, der Büste der heiligen Ludmila. Der Meister dieser Köpfe
gehörte ohne Zweifel zu den bedentendsten Goldschmieden seiner Zeit, von seiner Meister-
schaft zeugt auch das Majestätssiegel des Königs Wladislaw.
Die Verfertigung der Reliqniarien ist in dieser Zeit eine Seltenheit, das Haupt-
object, an dem die Goldschmiedeknnst ihre Kräfte prüfte, war die Monstranz, die iinmer
eomplicirter wird und kolossale Dimensionen erreicht. Der gothische Stil, der allmälig
vom architektonischen Gebiete zurückwich, hat sich sozusagen iu diese silbernen Hüllen, iu
denen er sich dann, vermischt mit Renaissance-Elementen, auch weiter erhält, geflüchtet.
Welch riesige Dimensionen die Monstranz jener Zeit erreichte, bezeugt eine Nachricht,
nach welcher man in Kuttenberg eine Monstranz hatte, die „so hoch war, daß ein Mann
von hoher Gestalt, weuu er den Arm emporhob, kaum mit dem Mittelfinger ihre Spitze
erreichte". Bis heute haben sich zahlreiche Monstranzen erhalten, die fast meterhoch siud,
so diejenigen in Sedlec und Bohdanec, welche noch der vorhnsitischen Zeit angehören,
in Kuttenberg bei St. Jakob, in Hostomitz, in Anssig nnd in Eger. Ungemein fein
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch