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die aus Mailand stammte, sich in Prag niederließ und hier das ganze XVII. Jahrhundert
hindurch wirkte. Neben den Miseroni tauchen auch andere Künstler dieser Art auf, zum
Theil Italiener, wie T. Tortori, zum Theil Deutsche, wie Kaspar Lemau, Zacharias Belzer
und Andere. Au der Spitze der erwähnten Familie stand Dionys Miseroni, Graveur und
Schleifer von Edelsteinen, welcher vom Jahre 1600 die Schatzkammer Rudolfs verwaltete.
Sein Sohn Dionys Miseroni junior war Zeuge jener schrecklichen Zeiten, in welchen ein
Theil der Sammlung den Sachsen im Jahre 1631 als Beute in die Hände fiel. Aber noch
im Jahre 1644 zählte die Rndolfinische Sammlung neben Statuen, Bildern, Münzen über
900 kostbare Gefäße, eine Menge Edelsteine und Hunderte von astronomischen und mathe-
matischen Gerätschaften und Musikinstrumenten. Doch der größte Theil dieser Schätze
gerieth abermals als Kriegsbeute den Feinden in die Hände, als im Jahre 1648 der
Hradschin von den Schweden erobert wurde.
Sobald nach dem westphälischen Frieden eine Zeit der Erholung folgte, kehrten die
Krystallschleifer zu ihrer Arbeit zurück; sie arbeiteten von neuem für den Hof und für den
Adel. Namentlich Ferdinand III. hatte eine besondere Vorliebe für Krystall- wie für
Juwelierarbeiten. Für ihn verfertigte Girolamo Miseroni im Jahre 1653 eines der
größten Krystallobjecte, die sogenannte „Pyramide", welche in den kaiserlichen Samm-
lungen aufbewahrt wird und von den Zeitgenossen auf 20.000 Reichsthaler geschätzt
wurde. Dem Kaiser Ferdinand wurde auch eine ungeheure Kanne gewidmet, welche aus
einem im Jahre 1652 in der Schweiz gefundenen Krystallstück geschliffen und in Prag
im Jahre 1655 hergestellt wurde. Großartig waren die Schleifereiwerkstätten in Prag;
mehrere Schleifsteine, die von großen Rädern in Bewegung gebracht wurden, waren stets
in Thätigkeit und ihnen entstammten jene bewunderungswürdigen Erzeugnisse, der Stolz
der Schatzkammern. Ein interessantes Bild von Karl Skreta, das sich in der Bildergallerie
der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde befindet, stellt die Familie eines hervorragenden
Schleifers, wahrscheinlich des Girolamo Miseroni, dar und bringt im Hintergrund auch
seine Werkstätte zur Anschauung.
Es scheint, daß gerade die Krystallschleiferei der böhmischen Glasindustrie neue
Anregung gab, so daß sie die größte Vollkommenheit erreichte und sich nun eines Weltrufes
erfreut. Schon im XV. Jahrhundert tauchen Nachrichten über Glashütten auf und im
XVI. Jahrhundert werden sie immer häufiger; zu jener Zeit gab es in den waldigen
Gegenden an der Grenze, im Riesengebirge, Erzgebirge und iin Böhmerwald eine Menge
von Glashütten, aber auch in den Forsten im Innern des Landes, wie z. B. bei Pürglitz,
wurden neue Glasetablissements errichtet. Wie beschaffen der künstlerische Charakter des
älteren böhmischen Glases war, das erfahren wir nicht; die ältesten böhmischen Arbeiten,
die sich bis jetzt erhalten haben, stammen ans der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Böhmen (2), Volume 15
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Böhmen (2)
- Volume
- 15
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.07 x 22.35 cm
- Pages
- 708
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch