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Nach dieser merkwürdigen Eigenthümlichkeit des Magyarenvolkes gestaltete sich auch
der ethnographische Charakter des vunäntül. Unter seinen drei Millionen Seelen sind
über zwei Millionen Magyaren. Etwa 600.000 sind Deutsche, die Übrigen Slaven;
besonders Serben, Kroaten, Slovaken und Wenden. Diese zwei Millionen Magyaren
Hausen — mit Ausnahme der Berggegend des Zalaer Plattensee-Ufers, das großentheils
magyarisch ist — ausschließlich auf den Tiefebenen, während das deutsche Element sich
ausnahmslos in den bergigen Theilen festsetzt; wobei übrigens zu bemerken ist, daß an
Anhänglichkeit für den ungarischen Staat die Deutschen und Wenden mit den Magyaren
wetteifern. Die Ödenburger und Eisenburger Deutschen leben seit der Ärpädenzeit in
ihren jetzigen Wohnsitzen; dagegen wurden die Deutschen des Vörtes- und Bakonygebirges,
des Toluaer und Baranyaer Eomitats erst nach dem Sturze der Türkenherrschaft aus
Schwaben und Baiern dahin verpflanzt. Um dieselbe Zeit wurden zerstreut auch Slovaken
jenseits der Donau ansässig gemacht, desgleichen katholische Serben, die sich aber seitdem
größtenteils magyarisirt haben. Dies thaten auch die Bewohner der Städte. In
Steinamanger, Veßprem, Stuhlweißenburg, Kauizsa, Szegzärd und Fünfkirchen trägt
nur eine sehr geringe Minderheit der Einwohner magyarische Namen. Die große Mehr-
heit der Bürger dieser Städte ist deutschen Ursprungs und führt noch immer deutsche
Namen, obgleich sie heute rein magyarisch genannt werden kann. Diese nationale Umbildung
ist ein Werk der letzten hundert Jahre, und ihr zur Seite ging noch eine andere, überaus
interessante ethnographische und sociale Umgestaltung. Die magyarische Race widmete sich
hauptsächlich der Landwirthschaft, dem Soldatenstande und der Regierung des Landes.
Das Gewerbe wurde nach dem Aufhören der Türkenherrschaft durch die einwandernden
Deutschen betrieben, während das Creditwesen größtentheils den Serben und Griechen
zufiel; von Ungarisch-Altenbnrg bis hinab nach Semlin war das Creditwesen noch vor
hundert Jahren fast ausschließlich in den Händen von Serben, Griechen und maeedonischen
Walachen, den sogenannten Zinzaren, so daß in Raab, Komorn, Gran, Stuhlweißenburg,
Ofen, Fünfkirchen und noch anderen Städten starke griechisch-orthodoxe Kirchengemeinden
der Serben und Griechen blühten. Von alledem findet sich heute kaum die Spur. Das
Ofner griechisch-orientalische Bisthnm ist nach Szent-Endre verlegt. Von den sieben
griechisch-orientalischen Kirchen dieser Stadt sind heute fünf geschlossen; auch in den
übrigen Städten jenseits der Donau hat das kirchliche Leben der Griechisch-Orientalischen
gänzlich aufgehört und nur noch in Ofen, Stuhlweißenburg und Fünfkirchen geringe Reste
übrig gelassen.
Die westliche Cultur verpflanzte sich auf diesen Boden zugleich mit dem Christen-
thum und die ersten ungarischen Könige beeilten sich insbesondere hier dieser Cultur
Nester zu bauen, die großen kirchlichen Institutionen einzuführen. Hier gründeten sie, und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (4), Volume 16
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (4)
- Volume
- 16
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1896
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.18 x 21.71 cm
- Pages
- 616
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch