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Dämmerung umgeht. Die Walachen kennen wieder einen Waldgeist slibka, dem man auf
sein Rufen nicht antworten darf. Eine eigenthümliche Wandlung hat die deutsche Perhta in
der Volksanschauung der Hannaken erfahren, indem sie ihr Geschlecht gewechselt hat, denn
der hauuakische Spereekta ist ein Mann, der am heiligen Abend jenen Kindern, die nicht
gefastet haben, mit einem Bohrer den Leib durchbohrt. Daß in der mährischen Sagenwelt
auch der Drache eine nicht geringe Rolle spielt, ist selbstverständlich. Erwähnt sei nnr
der im Brüuuer Rathhaus noch heute verwahrte „Drache", der allerdings nichts weiter ist
als ein Krokodil, von dem jedoch die Sage erzählt, daß ihn der zum Tode verurtheilte
Näuberhanptmann Obeslik getödtet hat und für die Befreiung der Gegend von dieser
Landplage nicht nur amuestirt, sondern auch mit Ehren und Gütern belohnt wurde. Von ihm
leitete die bereits ausgestorbene Ritterfamilie der Obeslik von Lipultovitz ihre Abkuuft ab.
Unter deu noch erhaltenen historischen Sagen des mährischen Volkes dürfte die
zugleich einzige hannakische, in Chropin (zwischen Olmütz und Krcinsier) loealisirte Sage
vom König Jecminek die älteste sein. In ihrer jedenfalls neueren Ausschmückung erinnert
sie allerdings an die Genovefa^Sage. Ein im Chropiner Schlosse residirender Edelmann
wird vom Volke wegen seiner Weisheit nnd sonstigen Tugenden zum König erwählt; mit
der Zeit erfolgt jedoch in seinem Innern ein vollständiger Umschlag, er wird zu einem
lasterhaften Wütherich, der seine tugendhafte Frau verstößt. Um seiner grimmigen Wuth
zu entgehen, verbirgt sich die Königin anf den Feldern im Getreide und wird in einem
Gerstenfelde vou eiuem Kuabeu eutbuuden, dein infolge dessen vom Landvolke der Name
Jecminek, d. i. Gerstenkörnchen, beigelegt wird. Zu spät wird der König von Reue erfaßt,
vergeblich sucht er dann seine verstoßene Frau uud sei» Kind, — es verschwand wie ein
Gerstenkorn (?trati1 se jak jecminek) uud wird heute uoch zur Weihnachtszeit in der
Umgegend von Chropin vom Landvolke gesucht. Man bringt diese Sage gewöhnlich mit
dem sagenhaften Verschwinden des großmährischen Königs Svatoplnk in Verbindnug,
obgleich es auch nicht au Versuchen fehlt, den Jecminek als ein mythisches Wesen aus
vorchristlicher Zeit zu deuten. Ist das erstere richtig, dann gehört sie demselben Zeitalter
an wie die zahlreichen Legenden von den Aposteln des mährischen Volkes, Cyrill und
Method. Es gibt sehr viele Ortschaften in Mähren, die mit Ehrfurcht und Stolz zugleich
eine Stelle in ihrem Gemeindegebiete bezeichnen, an der die heiligen Männer das Evangelium
gepredigt haben sollen? ja an manchen Stätten sieht das Volk heute uoch die wunderbarer
Weise für immerwährende Zeiten hinterlassenen Spuren ihrer ehemaligen Anwesenheit. Es
ist selbstverständlich, daß die meisten dieser Legenden in dem Bischofssitze Methods, in
Velehrad und seiner Umgebung, spielen. In ganz Mähren bekannt ist ferner die mit der
Landesgeschichte eng verwebte Sage von der Errettung des mährischen Volkes aus der
Tatareunoth durch die gnadenreiche Gottesmutter auf dem Hosteiuberge, wo heute uoch eiu
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch