Page - 317 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Volume 17
Image of the Page - 317 -
Text of the Page - 317 -
317
Die dramatische Muse schwieg lange Jahre. Nach Gustav Pfleger und dem Lust-
spieldichter A. H. Sokol brach das Schweigen nur Frau Gabriela Preisovä. Diese griff
kühn und frei ins volle Leben des Slovakenstammes und verstand dessen gesellschaftliche
Conflicte bühnenkundig widerzuspiegeln (Ka^ckina roba, -leji pastoik^na). Ihr folgte
dahin Wilhelm Mrstik, dessen Marys« ihre Lebenskraft auch auf der Bühne des
Prager Landestheaters nachwies. Das böhmische Nationaltheater in Brünn berechtigt
zur Hoffnung, daß es der dramatischen Dichtungsart den unentbehrlichen Rückhalt
bieten wird.
In der schönen Prosa stehen neben ?. Vaclav Kosmak die Damen Gabriela Preisovä
und Frantiska Sträneckä obenan. Kosmäk ist der Homer des mährischen Volkes.
Unübertrefflich in der Charakteristik, voll sprudelnden Humors und mit der Lauge der
Satire nicht schonend, gibt er auch feinen poetischen Sinn kund. Er versteht es, alle
Seiten des mährischen Volkslebens, die dnnklen wie die lichten, in packender Darstellung
vorzuführen, so daß man dabei die Schwächen der Composition leicht übersieht; leider tritt
in den neueren Werken der Moralist und Priester zum Nachtheil des Künstlers allzusehr
in den Vordergrund. Frau Sträneckä (die Gemalin des Landesgerichtsrathes Kürschner
in Brünn) kennzeichnet seltene Innigkeit des Gefühls, vortreffliche Charakterzeichnnng,
Eleganz der Form; Frau Preisovä sagen mehr schärfere psychologische Probleme,
leidenschaftliche Naturen, feurigere Farben zu; alles dies bietet ihr der mährische Slovaken-
stamm in reichlichem Maße. Überhaupt bietet das mährische Volksleben und die grund-
verschiedene Individualität der einzelnen Stämme den von Jahr zu Jahr sich mehrenden
Vertretern der Belletristik einen geradezu unerschöpflichen Born für psychologische Analysen
und anziehende Darstellungen typischer Eigenschaften und Gestalten. Einige fordern zu
humoristischen Schilderungen geradezu heraus: so die wohlhabenden gemächlichen
Hannaken (A. H. Sokol, Otakar Bystrina, B. Kren, Späcil-Zeranovsky), andere stimmen
in Folge ihrer socialen Decadenz das Gemüth elegisch, wie die Walachen (Slavicinsky).
Einen interessanten Versuch machte Dr. Jan Herben in seiner groß angelegten Erzählung
vc> tikUIw a etvitelio pokoleni (Bis in die dritte und vierte Generation), indem er das
slovakische Leben in seinem Geburtsorte Brumovitz und dessen Umkreise seit den Zeiten
Josefs II. bis iu die Neuzeit hiueiu mit folkloristischer Färbung, kraftvoll und lebendig
schildert. Die Gebrüder Mrötkk vertreten talentvoll die naturalistische Richtung bei uns
und aualysireu die Seele ihrer mährischen Helden in ihren geheimsten Regungen, hierin
russischen Mustern folgend, denen schon Josef Vecera in seinen Novellen den Weg
ebnete. Frau Vlasta Pituerovä bewegt sich mit Vorliebe in den Saarer Gebirgsorten und
wählt zu ihren Gemälden anmuthige Farben. Mit tiefem Ernst, echtem Mitgefühl uud
künstlerischer Gewandtheit versenkt sich Josef Merhant in das an socialen und nationalen
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Mähren und Schlesien, Volume 17"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch