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lerneifrig nützt der Schlesier in geschickter, oft findiger Weise die daraus sich ergebenden
Vortheile. Da er aber mit allen Kräften des Körpers und des Geistes sein Land sich so
zn sagen erobert hat, so hängt auch sein Herz pietätvoll an der Scholle, die ihm dadurch
unendlich lieb geworden. Diese Pietät gegen die Heimat hat kräftige Blüten des öster-
reichischen Vaterlandsbewußtseins getrieben. Freudig gab und gibt er Gut und Blut hiu,
um Land und Reich gegen feindliche Eingriffe von außen zu schützen. Unter den tapfersten
Soldaten sehen wir den Schlesier, wenn der Kaiser ruft. Bei der angestrengten Arbeit
aber, bei dem eifrigen Bemühen, durch Sparsamkeit sein Los zu verbessern, ist der schlesische
Landwirth keineswegs ein Knicker. Er liebt es, nach den Anstrengungen des Tages im
Dorswirthshanse mit seinesgleichen bei einem Glase Bier oder „Schnaps" sich zu
unterhalten oder mit der qualmenden Pfeife im Munde dem Gespräch von Personen
gebildeter Stände zuzuhören. Dabei zeichnet ihn eine genügende Dosis Mutterwitz aus,
den er bei Herausforderung trocken ans seinen Gegner losläßt. Und so schlagfertig er im
Wirthshaus jede Neckerei abzuwehren weiß, ebenso scharf trifft sonst sein Witz jede Schwäche
seines Nachbarn oder auch ganzer Gemeinden. Jeder Insasse des Dorfes hat seinen Witz-
nnd Spitznamen, und jede Ortschaft wird in ihren verschiedenen Maßnahmen einer
scharfen Kritik unterzogen. Trotz dieses sarkastischen Zuges ist der Schlesier außerordentlich
gutmüthig, und schon in der Sprache gibt diese Gntmüthigkeit sich zu erkennen.
S i t t en und Bräuche, Sagen und Mythen. Im westlichen Schlesien haben
sich uralte Sitten und Bräuche in reicher Anzahl erhalten, während in Ostschlesien
altväterlicher Brauch nur vereinzelt sich findet. Diese schließen sich namentlich an das
Leben der Kirche. Von den um Weihnachten üblichen Gebräuchen seien folgende hervor-
gehoben, welche theilweise tief im Heidenthum unserer Altvordern wurzeln.
Am Abend vor St. Nikolaus (6. December) stellt sich für folgsame Kinder der
Nickel mit Äpfeln, Nüssen und Lebzelt ein. Er trügt einen weißen Bart, ein langes weites
Kleid, einen Stab und eine Bischofsmütze. Gewöhnlich begleitet ihn der Knecht Ruprecht,
der mit den Ketten rasselt und Schrecken erregt. Ehedem kam der Nickel auf einem
Schimmel geritten, daher er noch jetzt die Stube mit den Worten betritt:
„Ich bin der Nickel aus dem Himmel,
Reit' einen weißen Schimmel;
Ich komme aus dem Himmelreich,
Ich strafe die Faulen alle gleich.
Wenn die Kinder nicht fleißig beten und singen,
Wird ihnen die Ruth' aus dem Rücken 'rumspringen."
Weit mehr als anf St. Nikolaus freuen sich die Kinder auf die Einkehr des Christ-
kindes znr Weihnachtszeit. Auch iu der Hütte mancher Armen strahlt am Weihnachtsabend
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch