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Schäfer: Was frißt er denn?
Schafe: Grünes Gras.
Schäfer: Was trinkt er denn?
Schafe: Gänsewein.
Schäfer: Lammle, Lammle, kommt geschwind herein!
Die Schafe folgen nun dem Lockrufe des Schäfers, der Wolf bricht hervor und
sucht eins zu erhaschen. Wer gefangen wird, muß Wolf sein.
Der nachstehende Brauch betrifft das Erntefest. Ist das Getreide in die
Scheune gebracht, so binden auf größeren Wirthschaftshöfen die Schnitter und Arbeiter
aus Ähren der letzten Weizengarbe, welche die große Garbe heißt und besonders
viel Körner geben soll, eine» Kranz, den Weizenkranz, die Erntekrone. Dieser Kranz,
geschmückt mit Bändern und Blumen, Kornblumen, Feuerblumen, Kornwicken und
Rittersporn u. a. wird durch die jüngste Arbeiterin oder den ältesten Arbeiter dem Besitzer
mit dem Wunsche überreicht, daß das Getreide reichlich körnerc und auch die nächstjährige
Ernte eine gesegnete sein möge. An einem der folgenden Sonntage veranstaltet der Guts-
herr den Dienstleuten unter freiem Himmel eine Unterhaltung, wobei auch auf der Scheuer-
tenne getanzt wird. Lieblingstanz ist im Jauerniger Bezirke die „Hühnerscharre", bei
welchem Tanze die Hühner im Scharren nachgeahmt werden. Auf kleineren Gehöften
wird den Arbeitern ein Schnittessen gegeben, wobei Kuchen, Kaffee, Bier und Branntwein
gereicht werden. Bei weniger bemittelten Bauern ist es mit dem Schnittkuchen abgethan,
welcher beim Einführen des letzten Erntefuders dem Gesinde verabreicht wird.
Nach Beendigung der Ernte wird die Weizenbraut gefeiert. Eine Magd und
ein Knecht des Dorfes werden als Braut und Bräutigam aufgeputzt. Gegen die fünfte
Nachmittagsstunde begibt sich der Erntefestzug, beziehungsweise der Brautzug, unter
Musikbegleitung ins Wirthshaus. Auf einem Leiterwagen, verziert mit Ähren und Blumen-
kränzen und gezogen von einem Paar Ochsen, wird die Brautausstattung geführt. Braut
und Bräutigam folgen auf stattlichen Rossen, Knechte, Mägde?c. schließen sich an. Im
Wirthshause wird sodann steißig getanzt.
Die genannten und noch manche andere Festlichkeiten werden mit Mahlzeiten
gefeiert, deren Speisen entweder Leckerbissen der Jahreszeiten sind oder an alte Bräuche
anknüpfen. Am Martinitage ißt der bemittelte Bauer allenthalben eine gebratene Gans.
Zu den Speisen des Weihnachtsabends gehören eine Petersilien- oder Pflaumensuppe,
Griesbrei, Stritzel mit Honig, Nüsse nnd Äpfel. Zu Fasching siedet man Krapfen in
Schmalz, zu Osteru bäckt man scheibenrunde Gelbbrote. Es sind dies abgeblaßte Bilder
jener Opfer, die man einst zu diesen Jahreszeiten den alten Göttern darbrachte. In keiner
Jahreszeit aber gönnt sich der vermöglichere Landwirth eine solche Reichhaltigkeit an
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Mähren und Schlesien, Volume 17
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Mähren und Schlesien
- Volume
- 17
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.42 x 21.88 cm
- Pages
- 750
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch