Page - 23 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (5), Volume 18
Image of the Page - 23 -
Text of the Page - 23 -
23
vollkommeneren europäischen Gerathen auch ihre eigenen primitiven benutzen, dann können
wir uns auch nicht wundern, wenn wir in Ungarn unter den Geräthen der späteren Stein-
zeit mitunter auch ein polirtes Steinbeil, ja ein metallenes Werkzeug entdecken.
Daß die Ureinwohner Oberungarns, wie die von anderen Gegenden Mitteleuropas,
in ihrem primitiven Zustande die nämlichen von der Natur dargebotenen Geräthe, also
hölzerne, steinerne, knöcherne benutzten, bedarf ebenso wenig des Beweises, als daß die
Bekanntschaft mit den Metallen nach und nach die Stein- und Knochengeräthe verdrängte.
Doch ist es umso schwieriger, zwischen den verschiedenen Phasen der Steinzeit, sowie
zwischen der Bronze- und Eisenzeit Grenzlinien zu ziehen, je gewisser es ist, daß unsere
heute aufgestellten Theorien über diesen Pnnkt schon morgen durch neue Funde hinfällig
sein können. Ein zeitbestimmender Charakter kommt nur solchen Funden zu, die unter gleichen
geologischen Verhältnissen vorkommen. Und damit stehen wir vor der wichtigen Frage, ob
aus den paläolithischen Funden überhaupt auf die Existenz des qnaternären Menschen zu
schließen sei. Versucht wurde dies auch schon in anderen Ländern; seit Tonrnal und de Christol,
Dr. Schmerling und Boucher de Perthes' Entdeckungen zu Abbeville ist es mit aller
Wahrscheinlichkeit festgestellt, daß der Mensch schon vor der Diluvialzeit in der qnaternären
Entwicklungsepoche thatsächlich gelebt hat. In Oberungarn würden die Höhlenfunde dafür
sprechen. Da aber bei diesen die geologischen Verhältnisse, der Natur der Sache nach, nicht
mit voller Sicherheit festzustellen waren, so konnte auch die Frage durch sie keine befriedi-
gende Lösung finden. In dieser Hinsicht sind wir erst in neuester Zeit um einen Schritt
weiter gelangt, und zwar durch einen Miskolczer Fund, welcher Formen der paläolithischen
Zeit aufweist.
Dieser Fund besteht aus drei kleinen, durch Absplitterung hergestellten Steinbeilen,
die im Jahre 1892 bei der Fnndamentirnng eines Hauses, in einer Tiefe von etwa drei
Metern, in der unter dem Alluvium liegenden Thonschichte gefunden wurden. Diese Stein-
beile sind nach Material, Form und Herstellungsort den berühmten Steinbeileu ans dem
Sommethal so ähnlich, daß Otto Herman, der den Fund eingehend beschrieben hat, in
seiner beachtenswerthen Studie keinen Anstand nahm, zu erklären, „es bestehe schon nach
den geologischen Verhältnissen die große Wahrscheinlichkeit, daß der Miskolczer Fund
der paläolithischen Zeit angehört, also jener älteren Steinzeit, die nach der jetzt
herrschenden wissenschaftlichen Auffassung bis ans Ende des Diluviums dauerte, die aber
auf dem Gebiete unseres Vaterlandes in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise bisher
nicht nachgewiesen war".
Wie seinerzeit die berühmten Entdeckungen im Sommethal und die ans ihnen
abgeleitete Theorie erst nach längerem Streit und neuen Entdeckungen festen Fuß fassen
konnten, so wird auch der vereinzelte Miskolczer Fund erst nach neuen ähnlichen Funden
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Volume 18
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (5)
- Volume
- 18
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.02 x 21.71 cm
- Pages
- 462
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch