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das Langchor von drei Jochen schließt mit drei Seiten des Achtecks; an der Stelle des
südlichen Seitenschiffes erscheinen eine größere und eine kleinere Kapelle, die eine Vorhalle
zwischen sich fassen; die Bildung des in der Vorhalle befindlichen Portals und seine mit
einem Zinnenkranz abschließenden Pfeiler erinnern an das Nordportal des Kaschauer Domes.
Am westlichen Ende erhebt sich auf achteckigen Pfeilern ein Orgelchor. Mancherlei Details,
insbesondere das Maßwerk, welches die die Schiffe trennenden gekehlten Pfeiler und die
Rippen des Sterngewölbes verbindet, zeigen jenen Verfallszustand des gothischen Stils,
in dem die Zierformen ihren organischen Zusammenhang mit der Coustruction verlieren,
und zur Spielerei entarten. In dieser Hinsicht ist die Kathedrale zu Roseuau eines der
charakteristischesten Bauwerke des Landes.
In der Umgebung der drei Bergstädte entwickelten sich auch die kleineren Ansiedluugen
zu ansehnlichen Grubenstädten, und diese, sowie selbst zahlreiche Dörfer, bauten gleichfalls
gothische Kirchen. Das Sohler Comitat ist gleichsam der Mittelpunkt dieser Bauthätigkeit,
deren Wirkung sich über die Comitate Hont, Bars, Turöcz und Liptau erstreckte, während
das Nögräder und Gömörer Comitat ihr etwas ferner liegen. Einen der auffälligsten
Charakterzüge dieser Comitate bilden die befestigten Pfarrkirchen, die nirgends im Lande
gebräuchlicher waren als hier. Fast sämmtliche Pfarrkirchen, große wie kleine, wurden in
ummauerten Kirchhöfen erbaut. So waren diejenigen, die neben der Stadt oder dem Dorfe
auf einem Hügel standen, ohne Ausnahme zur Vertheidigung geeignete, befestigte Kirchen;
allein auch die mitten im Orte, auf flachem Boden erbauten, erfüllten zumeist diesen Zweck.
Charakteristische Vertreter der letzteren Anlage sind z. B. im Sohler Comitat die Kirche
zu Liptsch (Zölyom-Lipcse), im Liptauer Comitat die zu Deutsch-Liptsch (Nsmet-Lipcse),
im Turöczer die zu Turäny, im Barser die zu Geletuek. Letztere ist zu Ende des XV. Jahr-
hunderts erbaut, einschiffig, und steht mitten im Dorfe auf einem geräumigen Platze, dessen
regelmäßiges Viereck mit einer Mauer umgeben ist; diese weist sogar noch Schießscharten
auf. Alle sind sie durch die große Schlichtheit der aus Sachsen stammenden Vorbilder
charakterisirt. Ihrer Anordnung nach sind sie größtentheils unregelmäßig und so mannig-
faltig, daß einander ähnliche nur unter den einfachsten vorkommen. Bei den dreifchiffigen
Kirchen schließt das Chor in der Regel dreiseitig, dagegen z. B. bei der dreifchiffigen basilika-
artigen Kirche zu Turöcz-Szeut-Märtou mit einer geraden Wand, an der sich zwei Fenster
neben einander befinden. Bei den einschiffigen ist der dreiseitige Abschluß vorherrschenden den
Comitaten Sohl, Liptau und Turöcz kommen auch solche mit geradem Abschluß vor. Das
aus einem oder mehreren Jochen bestehende Langchor schließt in der Regel polygonal,
dagegen ein quadratisches oder seltener rechteckiges Chor mit gerader Wand. Es gibt
auch zweischisfige Kirchen, doch weichen auch diese, gleich den drei- und einschiffigen, von
einander ab. Bei den meisten von ihnen hat blos das Chor eine spitzbogige Wölbung.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Volume 18
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (5)
- Volume
- 18
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.02 x 21.71 cm
- Pages
- 462
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch