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daß für die Sicherheit ihrer Bewohner der Staat eintritt; allenfalls erinnern noch hervor-
springende Eckthürme an die älteren Burgen. Der Handelsverkehr, der sich vordem in
nord-südlicher Richtung bewegt hatte, war durch die Türkenfurcht nach Osten und Westen
abgelenkt, was für die meisten Städte einen bedeutenden Rückgang ihres Wohlstandes und,
im Zusammenhang damit, auch der Baulust des Bürgerthums bedeutete; die in den Städten
entstandenen Banwerke führen größtentheils adelige Namen. Die Thätigkeit der Gegen-
reformation äußert sich vorläufig blos in der Erbauung mehrerer Kirchen. Im Allgemeinen
ist es die Barockkunst, deren Einbürgerung sich in diesem Jahrhundert vollzieht, allein die
Bauthätigkeit hat keinen einheitlichen Charakter.
Die Comitate Säros und Zips bildeten im XVII. Jahrhundert architektonisch eine
besondere Insel. Ihre um diese Zeit entstandenen Bauten weisen ungewöhnlich reiche
Bekrönnngen auf. Unter dem schwach gegliederten Hauptgesimse läuft eine aus dicht-
gestellten Pfeilern und Rundbogen gebildete Blendarkade als Gesimsband um das ganze
Gebäude, und darüberhin bilden entweder gleich auf dem Hauptgesimse oder auf der mäßig
hohen Attika Reihen von größeren und kleineren, verschieden geformten Giebeln einen
Zinnenkranz. Diese hie und da mit arabischen Ornamentformen gemischten und an die
venezianische Architektur anklingenden Gesimsbänder und Zinnen, zn denen sich mitunter
noch in Sgraffito ausgeführte Ornamente nnd figürliche Darstellungen gesellen, verleihen
dem sonst einfachen und in seinen Verhältnissen schwerfälligen Gebäude eine eigenthümliche
Lebendigkeit. Solche oder auch nur entfernt ähnliche Bekrönnngen kommen sonst in keiner
Gegend des Landes vor, desto häufiger in den diesen beiden Comitaten benachbarten Theilen
Polens. Dieser Art ist z. B. die Krakauer Tuchhalle, die ihre jetzige Gestalt durch Neubau
nach dem im Jahre 1557 ausgebrochenen Brande empfing. Unter den Meistern, welche die
Modelle der zum Prunksaal dieser Halle emporführenden Freitreppe gefertigt haben, ist auch
ein Meister Johann Fabricins von Padua erwähnt. Auf ungarischem Gebiete sind die ältesten
die Giebelaufsätze der Burg zu Nagyör (1570 bis 1590), des mit Sgraffito verzierten
Glockenstuhles zu Käsmark (1596) und der Westseite der im Jahre 1601 neu aufgebauten
Burg Nedecz. Aus diesem Umstände ist zu schließen, daß beide Comitate ihre eigenthümliche
Architektur im XVII. Jahrhundert von Polen entlehnt haben. Doch wird die Priorität
Polens in diesem Punkte dadurch aufgewogen, daß bei den Gebäuden im Särofer und
Zipser Comitate diese Art von Bekrönnng zur allgemeinherrschenden, ja sozusagen unent-
behrlichen wurde; außer den neugebauten Schlössern und städtischen Häusern wurden auch
die Kirchthürme und die neben den Kirchen stehenden Glockenstühle der Reihe nach mit
solchen Bekrönnngen versehen. Die bis ans Launenhafte gehende Mannigfaltigkeit dieser
Bekrönnngen bekundet eine ungewöhnliche Erfindungsgabe, deren sich die Baumeister dieser
Comitate erfreut haben müssen. Die drei erwähnten Bauten, das Schloß zu Nagyör,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Volume 18
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (5)
- Volume
- 18
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.02 x 21.71 cm
- Pages
- 462
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch