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fähigen Mädchen aber knacken eine Nuß, nehmen den Kern heraus und lassen während
des Abendessens von jeder Speise ein Tröpfchen in die leere Nußschale fallen; dann
binden sie die beiden halben Nußschalen fest zusammen und legen sie unter ihr Kopfkissen,
damit sie im Traum erfahren, wen sie heiraten werden. Nach dein Abendessen kehren die
heiratsfähigen Mädchen die Stube aus, tragen den Kehricht auf den Kreuzweg und passen
dort auf, von welcher Seite Hundegebell erschallen wird, denn von dieser Seite wird ihnen
auch der Bräutigam kommen. Der schönste Weihnachtsbrauch ist jedenfalls das Weihnachts-
Hirtenfpiel, wobei fünf oder sechs junge Leute in Hirtentracht die Geschichte von Bethlehem
in dialogischer Form vortragen und zwischendurch Gelegenheitslieder singen. Ähnlich gehen
am Dreikönigstage die heiligen drei Könige umher.
Die Heilung der Krankheiten versucht das Volk in erster Reihe durch Hausmittel.
Frauen und Mädchen tragen immer einen Buschen Heilkräuter vom Felde heim und heben
sie sorgfältig auf. Bleibt das Heilkraut ohne Erfolg, so wird das Übel besprochen, be-
schworen. Von den Methoden des Besprechens sei die folgende erwähnt: Man legt ein
kleines Kaninchen unter das Federbett zu Füßen des Kranken, pflanzt in zwei Enden des
Bettes zwei Haselstecken auf, legt über sie kreuzweise einen dritten und deckt über diesen
ein Leiutuch aus schwerer Hausleinwand. Der Besprecher beräuchert unn den Kranken
zuerst mit dem Rauche verschiedener dürrer Heilkräuter, und sagt dann den gebräuchlichen
Beschwörungsspruch her, der mit dem Namen Christi beginnt und mit dem Wunsche
schließt, daß die Krankheit ans dem Körper des Patienten in das zu seinen Füßen liegende
Kaninchen fahren möge. Wieder anderer Hokuspokus kommt bei der Krankenpflege vor.
So legt man eine Axt mit der Schneide nach oben vor das Bett des Kranken, oder ein
Gebetbuch unter sein Kopfkissen; der Kranke muß das Hemd von links her anziehen; auch
Blei wird über seinem Kopfe gegossen. Wer an Zahnschmerzen leidet, berührt im Frühjahr,
wenn er das erste Mal donnern hört, seine Zähne mit kaltem Eisen n. s. w. Schwerkranke
werden von Nachbarn und Verwandten fleißig besucht und jeder gibt einen guten Rath.
Und diese Rathschläge finden bei den Hausleuten oft mehr Anklang, als die Weisungen
des Arztes. Für Schwerkranke läßt man in der Kirche beten. Um das Bett des Sterbenden
versammelt sich die Verwandtschaft, ein Mitglied der Familie zündet eine geweihte Wachs-
kerze an und hält sie dem Kranken so nahe, daß er sie mit der Hand berühren kann; die
Familienmitglieder kuieu am Sterbebette nieder nnd beten, während zugleich Jemand
entsendet wird, um das Zügenglöckchen zu läuten.
Der Todte wird in seinen Feiertagskleidern aufgebahrt. Den Mädchen wird das
Haar auseinander gekämmt und ein Kranz aufgefetzt. Die Dorfbewohner finden sich ein,
um den Todten zu sehen; jeder Besucher kniet nieder und sagt ein kurzes Gebet, wobei
er ein Heiligenbildchen ans die Leiche legt, die denn auch, bis sie in den Sarg gelangt,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Volume 18
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (5)
- Volume
- 18
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.02 x 21.71 cm
- Pages
- 462
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch