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Viele Jahre sind verflossen, vieles Ungemach ist über das Gotteshaus gekommen, die
Feuersbrunst von 1850 zwang zu einem Umbau und zum Erniedem der Bogenwölbung;
dennoch hat die Franziskanerkirche manches von ihrem ursprünglichen Charakter
bewahrt; sie zeigt z. B. an ihren Fenstern das älteste Maßwerk des Landes. In der
neuesten Zeit hat man das Presbyterium mit einer etwas bunten, doch individuellen
Polychromie geschmückt. An die Kirche stößt das Kloster mit seinen prächtigen, gothischen
Kreuzgängen. Die Malereien einer späteren Epoche, wahrscheinlich des XVIII. Jahrhunderts,
haben es nicht vermocht, den Eindruck dieser Bogenwölbungen zu zerstören. An den
Wänden hängen Bildnisse der Krakauer Bischöfe seit dem Beginn des XVI. Jahrhunderts.
Unter denselben befindet sich eine Menge von Grabmälern und Gedenktafeln. Das Kloster
der Franziskaner spricht eine lebendige Sprache zu allen jenen, welche in der Geschichte
und Legende der Vergangenheit bewandert sind. Ladislaus Ellenhoch barg sich hier im
Jahre 1289 und ließ sich, in ein Mönchshabit verkleidet, an einer Schnur herab, um dem
Kriegsvolk des Breslauer Fürsten Henricus Probus zu entgehen. Er sollte bald darauf als
Herrscher zurückkehren. Nahezu hundert Jahre später waren die Wände des Resectorinms
Zeugen der geheimen Zusammenkünfte der Erbin des polnischen Thrones, Hedwig, mit ihrem
Verlobten Wilhelm von Österreich. Die Liebe zum Vaterlande jedoch siegte über persönliche
Neigung. Indem Hedwig dem lithauischen Fürsten Jagiello ihre Hand reichte, gewann sie
den Polnischen Landen einen Bundesgenossen und dem Christenthum Tausende von Seelen.
An der anderen Seite des Platzes steht die Dominicanerkirche, welche um die
Mitte des XIII. Jahrhunderts erbaut wurde. Spuren des ursprünglichen Baues sind noch
heute sichtbar. Dem Unglücksjahre 1850 folgte eine verunglückte Restauration. Man
baute eine häßliche Vorhalle an und füllte das Innere mit einer Masse schlechter neu-
gothischer Sculpturen und mit Gemälden, welche unbewußte Caricatnreu Overbeks sind;
man erbaute einen neuen ebenso kostspieligen als mißlungenen Hochaltar, man bedeckte die
Wände mit einer konventionellen Polychromie; doch blieb das Gewölbe unverändert
und niemand hat es gewagt, das alte gemeißelte Portal zu verderben. So ist trotz alledem
diese Kirche eine der größten Sehenswürdigkeiten Krakaus geblieben. In der Nähe des
Hochaltars befindet sich das steinerne, in die Mauer eingefügte Denkmal des Fürsten
von Krakau, Leszek des Schwarzen (gestorben 1288), sowie die bronzene Grabplatte des
berühmten Philipp Buonaccorsi, genannt Callimachus (gestorben 1496). Um die Kirche
herum erstanden im Lause der Jahrhunderte einige schöne Kapellen. In einer derselben,
welche sich im ersten Stockwerke befindet und in der Barockzeit theilweise umgebaut wurde,
ruhen die irdischen Überreste des heiligen Hyacinth (gestorben 1257). Das Kloster
enthält sehr schöne gothische Kreuzgänge und in den letzten Jahren hat man in demselben
interessante Reste romanischer Baukunst entdeckt.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch