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Schloßberg (Franz Josefsberg) obenan, eine hochgelegene schattige, für Fußgänger nnd
Fahrende eingerichtete Promenade. Von der Südseite des Schloßberges ist Lemberg aus
der Vogelschau zu überblicke», von Norden aus schweift das Auge über eine weite
Ebene mit aus Baumgruppeu gleichsam wie aus riesigen Büschen hervorblinkenden
Dörfern und Gehöften, mit wogenden Saatenfeldern und grünen, in blauer Ferue ver-
schwimmeudeu Auen. Es ist die Lemberger Campagua; sie ergötzt das Auge des Städters
mit ihrem friedlich idyllischen Reize, aber einst hat sie von derselben Stelle aus der
bewaffnete Bürger ost mit baugem Blicke überschaut, um uach den Staubwolken zu
spähen, die uuter den Hufeu der Tataren- uud Kozakenpferde hoch aufwirbelten, oder die
unheimlich warnenden nächtlichen Lagerfeuer des belagernden Feindes zu zählen, welcher,
nach dem Ausspruche des Lemberger Dichters aus dem XVII. Jahrhunderte, die „bleiche
Ceres" aus diesen Gefilden so oft zn vertreiben Pflegte.
Das Tand.
Die podolifche Hochebene. — Die Steppe! Hurrah! Die Steppe! . . . .
Unwillkürlich wiederholt man diesen Ausruf, mit dem eiust die aus der weiten Welt mit
reicher Beute zurückkehrenden Reiterschaaren bei klingendem Spiel und fliegenden Fahnen
die heimatlichen Steppen begrüßten, wenn man im äußersten Nordosten unserer Monarchie
längs der russischen Grenze wandert.
Ja die Steppe!. . . Wer beschreibt den Zauber dieser endlosen, blnmengeschmückten
Fläche? Wer schildert das Gefühl, das unser Herz rascher schlagen macht und uns Flügel zu
verleihen scheint, wenn wir hoch zu Roß vom warmeu Lichtmeer umslutet in die klafter-
hohen, duftenden Gräser hineinreiten? Der sanfte Hauch vom Pout-Euxiu, der um unsere
Schläfe spielt und dem Schilfrohr in dem benachbarten Sumpf ein geheimnißvolles
Rauschen entlockt, flüstert uns in das Ohr Geschichten aus längstverkluugenen Zeiten.
Ja früher hat dieSteppe anders ausgeschaut! Heutzutage ist sie nur iu nubedeutenden
Resten zurückgeblieben, da der Pflug des Laudmanus die lieblichen Töchter der Flora
unerbittlich vernichtet, um den goldenen Wogen des üppigen Getreides Platz zu machen.
Die Menschen waren auch anders. Es ist eine schreckliche, mit Feuer und Blut geschriebene
Geschichte, die diese friedlichen Steppen besitzen. Sind wir doch in der Nähe des „schwarzen
Pfades" ciiarnx s^Iak, auf dem jahrein jahraus wilde, blutdürstige Horden zogen, um iu
deu Culturläudern des Westens zu plündern, zu sengen nnd zu morden! Weit über Polen
hinaus kamen sie jedoch nie. Dieses Bollwerk der abendländischen Cultur konnten sie nie
vernichten. Aber wie viel Blut hat das gekostet! Die zahlreiche» Grabhügel, denen wir
auf unserer Wanderung begegnen, bergen die morschen Gebeine der Helden, die als
Vaterlandsvertheidiger den heimatlichen Boden mit ihrem Lebenssafte düngten . . . .
					
				
						Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
							Galizien, Volume 19
								
				- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch