Page - 70 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
Image of the Page - 70 -
Text of the Page - 70 -
70
Um dahin zu gelangen, müssen wir nach Podhorodee längs des Stryjflnsses, von
da aber an der Ortschaft Urycz vorüber durch eine wilde, waldige, beinahe pfadlose
Gegend. Wir lassen uns die Gelegenheit nicht entgehen, unterwegs auch die berühmten Fels-
partien von Urycz, das Ziel zahlreicher Touristenexcursionen, in Augenschein zu nehmen.
Nach kurzem Marsche gewahren wir plötzlich beim Verlassen der Schlucht die mächtigen
Sandsteincolosse von Urycz, deren graue mit Moos bedeckte Häupter hoch über den grünen
Tannen emporragen. Zahlreich sind die Spuren, daß diese Felsen einst bewohnt waren
und als natürliche Festung dienten. Man sieht da ausgemeißelte Gemächer, Cisterneu und
Treppen, man bemerkt Theile von Mauerwerk, das die ohnehin starke, natürliche Festung
uneinnehmbar machen sollte, man hört unter den Füßen den dumpfen Wiederhall
verborgener unterirdischer Räume. Verwitterte, größteutheils unlesbare Inschriften scheinen
auf irgend einen Unglücksfall, auf Tod und Elend hinzudeuten. Zwei Stunden von
Synowödzko entfernt, befindet sich in der Nähe der Ortschaft Bnbniszcze eine ähnliche
Felspartie mit ausgemeißelten Gemächern, Cisternen u. s. w. In geologischer Beziehung
ist das ein und dieselbe Zone des dickbankigen massigen Jamnasandsteines, der überall, wo
er auftritt, zu Folge der außerordentlichen Mächtigkeit der Schichten und der Widerstands-
fähigkeit gegen Verwitterung die Neigung zur Felsbildung hat.
Nach einigen Stunden anstrengender Wanderung durch den Urwald gelangen wir
in ein offenes Thal und erblicken nun ein merkwürdiges Bild. Mitten in der Waldwildniß
bilden Hunderte von Bohrthürmen eine förmliche Stadt, zahlreiche Maschinen erzeugen
dicke Rauch- und Dampfwolken, zahllose Arbeiter sind — ähnlich den Ameisen — in reg-
samer Thätigkeit begriffen. In den Schmieden klingt der Hammer, in den Schächten ächzt
der Bohrkrahn und schlägt dumpf der Meißel auf das harte Gestein, von Zeit zu Zeit
ertönt der schrille Pfiff der Dampfpfeife oder erklingt der gedehnte Ruf des hoch auf dem
Thurme sitzenden Arbeiters, der das An- und Abschrauben der Bohrstangen besorgt. In
den fertigen Schächten zischt das herausströmende Gas und quillt das dunkelgrüne, dick-
flüssige Erdöl, das in den Reservoirs gesammelt wird. Überall Leben und hastige rastlose
Arbeit, wir möchten fast glauben, daß uns eine überirdische Macht nach Pennsylvanicn oder
Ohio hinübergezaubert hat.
Wir setzen unsere Reise in das Innere der Karpathen fort. Die Eisenbahn bewegt
sich bis an die ungarische Grenze im reizenden Qnerthale des Oporslusses.
Gleich hinter Synowödzko passiren wir eine herrliche, parkähnliche mit alten Eichen
bewachsene Wiese, und nähern uns in dem engen, schluchtartigen Thale dem Marktflecken
Skole. Von allen Seiten lachen uns bewaldete Berge entgegen und nnr die höchsten Spitzen
der uns bereits bekannten Paraszka-Zetemin-Kette leuchten wie Flammen mit ihren gelblich-
grünen Almen. Zu unseren Füßen schäumt über die Stromschnellen der krystallene Opor
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch