Page - 115 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
Image of the Page - 115 -
Text of the Page - 115 -
115
welche man durch Eindrücke in die noch weiche Oberfläche des Gefäßes vermittelst der
Fingerspitzen oder mit Hilfe der Holzstäbchen und einer Bastschnur bewerkstelligte.
Die größte, wahrhaft erstaunliche Menge von Knochenartefacten wurde in einer Reihe
von Höhlen, welche in der Gebirgsschlucht bei Muiköw südlich von Krakau liegen, gefunden.
Diese Höhlen wurden von der neolithifchen Bevölkerung viel später bewohnt als die mehr
gegen Norden gelegenen Höhlen. Neben Werkzeugen aus Feuerstein und Knochen vom
gewöhnlichen Typus wurden in jenen Höhlen bei Mniköw Tausende von Gegenständen aus
Knochen der diluvialen und alluvialen Fauna, ja selbst Menschenknochen und zum Theil
auch aus Höhlentropfstein verfertigte Gegenstände von ungewöhnlicher und oft ganz
räthselhafter Gestalt und Bestimmung gefunden. Manche sehen wie Pfriemen, Nadeln,
Messer, Weberschiffe, Töpferfpateln, Gabeln, Näpfchen und dergleichen ans, andere
konnten als Anhängsel zum Schmuck oder als Amulette dienen. Wir treffen dort ferner
Nachbildungen von Thier- und Menschengestalten, eine Art von Idolen und eine große
Anzahl phantastischer unverständlicher Gegenstände. Am häufigsten sind es kleine, runde
oder eckige, unregelmäßige Platten mit zahlreichen durchbohrten Löchern nnd zackenartigen
Ausschnitte» an den Rändern.
Die zweite verhältnißmäßig jüngere Art der Wohnungen waren die sogenannten
Pfahlbanteu. Solche aus der neolithifchen Zeit wurden in Galizien im Torfmoore im
Dorfe Kwaezala bei Krakau entdeckt und erforscht. Was die übrige» Spuren der Pfahl-
bauten in anderen Gegenden Galiziens, nämlich bei Lezajsk in der Nähe von Jaroskaw,
sowie bei Kvbiernice im Bezirk Mala, betrifft, so kauu man ohne nähere wissenschaftliche
Untersuchung nicht beurtheilen, welcher Zeitperiode diese Denkmäler angehören, da Psahl-
bauwohnuugeu auch in späteren prähistorischen Perioden üblich waren.
In dein näher erforschten Pfahlbau in Kwaczata hat man Werkzeuge aus Feuerstein
und anderen Gesteinsarten vom gewöhnlichen Typus, wie Messer, Schaber, Hammer, Beile,
Pfeilspitzen gefunden, ferner zahlreiche Scherben von in der Hand geformten Thongefäßen,
manche sogar mit Ornamentik, zahlreiche Feuerherde uud Spure» vvu Kohlen, Pslanzen-
körner, Nüsse und dergleichen. Zur Ergäuzuug dieser Schilderung ist zu erwähnen, daß
in der Nähe dieses Torfmoores neolithische Brandgräber und sogenannte Steingeräth-
werkstätten auf angrenzender Anhöhe entdeckt wurde».
Steingeräthwerkstätteu heißen solche Orte, an denen größere Mengen des künstlich
gespaltenen Feuersteines, sogenannte Fenersteinsplitter, Fenersteinknollen, auch fertige Stein-
werkzeuge, wie Pfeilspitzen, Messer, Stcinmcißel, Schaber, Steinbeile und dergleichen
angehäuft sind. Dabei kommen gewöhnlich Spnre» von Feuerherden vor, viel Asche,
Thvnscherben uud Kücheuabsälle. Das siud die gewöhnlichsten Merkmale neolithischer
Ausiedelnugeu, die iu großer Anzahl a» der Weichsel und in den benachbarten Gebieten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch