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auf Przemystaw übergegangen war. Allerdings war diese Erwerbung van großer
Bedeutung, indem sie dem erneuerten Königreich den Zutritt zur Ostsee gewährte. Über
zwei Drittel der polnischen Länder herrschte aber eine Reihe von Fürsten, die weit davon
entfernt waren, die Oberherrschaft des neugekrönten Königs anzuerkennen; Kleinpolen,
mit Krakau und Sandomir, war gerade vor fünf Jahren unter das Scepter des Königs
von Böhmen Wenzel II. übergegangen, vor welchem Przemystaw aus Krakau gewichen
war. Wenzel erhob auch Protest gegen die Anmaßung des großpolnischen Fürsten, indem
er die Vorherrschaft über Polen für Krakau in Anspruch nahm. Ein Znsammeustoß schien
unvermeidlich; da wurde König Przemystaw, am 8. Februar 1296, wenige Monate
nach seiner Krönung, auf einem Kriegszuge gegen die Brandenburger ermordet.
Jetzt trat der König von Böhmen in den Kampf nm die Erbschaft Przemystaws ein.
Er fand an Wtadystaw Lokietek, dem Fürsten von Sieradz, einen unermüdlichen Wider-
sacher. Wtadystaw wurde jedoch bald aus dem Lande vertrieben, worauf sich Weuzel im
Jahre 1300 im Dom von Gnesen znm König von Polen krönen ließ. Wäre der Königs-
titel durch die kühne That Przemystaws nicht der Vergessenheit entrissen worden, so würde
Wenzel seine polnischen Besitzungen vermuthlich nur als Länder der böhmischen Krone
betrachtet haben. So wurde aber das polnische Königthum aufrecht erhalten, nnd zwar in
einer Personalunion mit Böhmen. Wenzel hatte unbewußt einem Anderen vorgearbeitet;
nach seinem Tode (1305), und bald nachdem ihm (1306) sein einziger Sohn, Wenzel III.,
der letzte Premyslide, im Tode gefolgt war, bemächtigte sich Wtadystaw Lokietek der
Gebiete, welche in Vereinigung mit Böhmen und unter der Herrschaft des böhmischen
Königshauses das wiederaufgerichtete Königreich Polen gebildet hatten.
Wtadys taw Lokietekhatte noch bei Lebzeiten Wenzels II. den Kampf begonnen. Er
fand treue Anhänger unter der kleinpolnischen Ritterschaft, die, der Fremdherrschaft müde,
sich um das uatiouale Bauner znsammeuschaarte. Dagegen war ihm die deutsche Bürger-
schaft der Städte feindlich gesinnt. Im Jahre 1311 erhob sich ein gefährlicher Aufstand
der kleinpolnischen Städte mit Krakau an der Spitze; er wurde zwar bewältigt, verhinderte
aber Wtadystaw dem Deutschen Orden entgegenzutreten, welcher sich Pommerellens
bemächtigte. Als Vorkämpfer der nationalen Bestrebungen, im scharfen Gegensatz sowohl
gegen die deutschen Elemente im Juueru des Landes als auch gegeu den Ordensstaat, der
bereits als Vorposten Deutschlands im Osten seinen Kampf mit Polen eröffnete, begründete
Wtadystaw Lokietek das wiedergeborene polnische Königthum, iudem er sich im Jahre 1320
in Krakau krönen ließ. Bezeichnend ist die Wahl des Krönungsortes. Die beiden Krönungen
von 1296 und 1300 wurden in Gnesen vollzogen; Lokietek verschob den Schwerpunkt des
neuen Königreiches wieder nach Süden und erneuerte deu Vorraug der Hauptstadt Kleiu-
poleus, der ihr schon vor zweihundert Jahren, zu Begiuu der Theilfürsteuthümerperiode,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch