Page - 158 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
Image of the Page - 158 -
Text of the Page - 158 -
158
Nuthenische Theilfürstenthümer bis zur Vereinigung mit j?olen ^387.
„Im Jahre der Welt 6489 (das ist 981 n. Chr.) zog Wladimir gegen die Lechen
und nahm ihre Städte, Przemysl, Czerwien und andere Städte, die auch noch heute zu den
Rnthenen gehören." Diese Zeilen des ältesten slavischen Chronisten, Nestor, geben uns die
erste Nachricht von dem heutigen Ostgalizien und seinen Städten. Das Land gehörte somit
vor dieser Zeit den Lechen oder den Polen, bis es im Jahre 981 von Wladimir — es
war der rnthenische Fürst Wladimir der Große — erobert wurde. Das hier erwähnte
Ereigniß, mit welchem das Land in die Geschichte eintritt, ist für dessen ganze Znknnst
symbolisch; es war schon bei seiner geschichtlichen Geburt, wie auch später, Gegenstand des
Streites zwischen den beiden mächtigsten Völkern der Slaven, den Rnthenen und
den Polen.
Im Jahre 981 schon strebten diese beideu Reiche mächtig auf. Das polnische entstaub
auf dem Wege der auch sonst gewöhnlichen Entwickelung: eine der zahlreichen von der
Elbe und Saale bis über die Weichsel, theilweise bis über den Dnjepr, verbreiteten stamm-
verwandten Völkerschaften, nämlich die Polanen an der Warta, vereinigten die mittleren
ihrer Stammesbrüder zu gemeinsamem staatlichen Leben. Ihr Fürst war im Jahre 981
Mieszko I. aus dem Hause der Piasteu, der fünfzehn Jahre früher dnrch die Annahme
des Christenthums im römischen Ritus sein Reich dem westlichen Cnltnrleben aufschloß.
Das rnthenische Reich war das Werk einer fremden Eroberuug. Die Normannen, hier
Waräger genannt, von dem Stamme Ruß, unterjochten unter der Führung des Rurik
und seiner Nachkommen, der Rnrikowiczen, die östlichen slavischen und nicht slavischen
Völkerschaften uud gründeten auf diese Weise ein Reich, das von ihnen den Namen „Rns"
erhalten hat. Der schon in der Entstehung begründete Gegensatz zwischen den beiden
Reichen wurde uoch dadurch verschärft, daß die Rutheneu unter demselben Wladimir dem
Großen, im Jahre 988, das Christenthum iu der orientalisch-slavischen Form bei sich
einführten. Indem die östlichen Slaven der orientalischen, die westlichen der römischen
Kirche sich zuwandten, entstand schon vom Anbeginn eine tiefe Kluft in der Mitte der
Slavenwelt, welche ihre Geschicke und ihr gegenseitiges Verhältniß für die ganze Zukunft
bestimmte.
Uuser Laud oder, wie man es damals zn nennen pflegte, das Czerwenifche, das
Rothe Land, war in der Mitte zwischen beiden gelegen nnd lange war es ungewiß, welcher
der beiden großen Völkergrnppen es zufallen werde. Denn mit der Erobernng vom
Jahre 981 war es uoch nicht abgethan. Als Polen unter Boleskaw I. Chrobry einen
gewaltigen Aufschwung nahm, die Slovakei, Mähren, Lausitz, Meißen, Pommern eroberte,
kam im Jahre 1018 die Reihe auch au das Czerweuische Laud, welches Bvleskaw auf
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch