Page - 186 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
Image of the Page - 186 -
Text of the Page - 186 -
186
dem benachbarten Deutschland und aus Uugarn an sich zog, blieben doch die Beziehungen
zu Prag rege, und das Husitenthnm, welches bald ganz Böhmen in Anfrnhr brachte,
fand auch in Polen um so lebhafteren Anklang, als die aufständischen Böhmen dem polnischen
Könige Jagiello die böhmische Krone mehrmals anboten. Aber so verlockend auch dieses
Augebot war, so nahm doch die polnische Politik ihm gegenüber nach langem Schwanken
eine entschieden ablehnende Haltung ein.
Die Entscheidung konnte auch kaum eine andere sein. Politische Fragen von größerer
Tragweite wurden in Polen seit jeher in einer Versammlung entschieden, zu welcher
der König periodisch die geistlichen und weltlichen Würdenträger des Reiches zu berufen
pflegte. Die einen und die anderen bildeten durch Tradition und ausgedehnten Grundbesitz
ein politisch geschultes, couservatives Element, welches mit der radikalen Richtung der
hnsitischeu Bewegung und mit den dnrch dieselbe hervorgerufenen politischen und socialen
Wirren unmöglich sympathisiren konnte. Die geistlichen Würdenträger, damals vor allem
der Krakauer Bischof Zbigniew Olesnicki, führten schon infolge ihrer höheren Bildung
das entscheidende Wort. Sie wnßten nur zu gut, welches Übergewicht Polen eben dadurch
gewonnen hatte, daß sich seine Politik frei von jeder Ketzerei auf streng kirchlichem Boden
bewegte. Zu einer Zeit, wo die Polen auf dem Konstanzer Concil den principiellen Streit
mit dem Ordeu siegreich ausfochten, konnten sie doch unmöglich durch den Verdacht, daß sie
mit der hnsitischen Ketzerei sympathisirten, ihre Stellung schwächen und dem gedemüthigten,
aber keineswegs aufgeriebenen Orden neue Waffen in die Hand spielen und eine neue
Existenzberechtigung verschaffen. Trotz aller nationalen Sympathien für die Böhmen,
trotzdem die hnsitische Bewegung in den unteren Schichten des polnischen Adels und
der Geistlichkeit mächtigen Widerhall fand, konnte sich die polnische Negierung niemals
zu offenkundiger Unterstützung der hufitischen Bewegung entschließen. Bei den vielen
Verhandlungen, zu welchen die Berufung Jagieltos zum böhmischen Könige Anlaß
gab, wurde poluischerseits die Rückkehr der Böhmen zur katholischen Kirche verlangt und
in dieser Absicht mit den hufitischen Predigern öffentlich in Krakau disputirt. Da aber
diese Bedingung nicht zu erreichen war, so lehnte Jagietto die ihm angebotene Krone
entschieden ab. Nur den heißblütigen Elementen in Polen wnrde ein Zug nach Böhmen zur
Unterstützung des zum böhmischen Könige gewählten lithauischen Fürsten Sigismund
Korybut stillschweigend gestattet.
Eine Rückwirkung der hufitischen Wirren auf Polen ist jedoch schließlich nicht
ausgeblieben. Im Jahre 1434 starb Ladislaus Jagietto, und die Verwaltung des Reiches
übernahm im Namen seines minderjährigen Sohnes Ladis laus III. der Krakauer Bischof
Zbigniew Olesnicki. Diesen Augenblick benützten die zurückgedrängten hufitischen Elemente,
an deren Spitze sich ein Magnat, Spitek Melsztynski stellte, zum offenen Widerstande;
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch