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derselbe gründete besondere Schulen und Couviete und trat in Concnrrenz mit den Jesniten-
Collegien. Ein Mann von hervorragender Bildung und großem Patriotismus, der Piarist
S t an i s l aus Kouarski, stellte sich an die Spitze dieser Bewegung, indem er in politischen
Schriften die herrschende Anarchie nicht ohne Erfolg bekämpfte; aus seiner Schule gingen
die Männer hervor, welche den Kampf immer kuhner aufnahmen.
Ihre Bemühnugen waren aber nnr von geringem Erfolge begleitet. Zwei adelige
Geschlechter, die Potoeki und die Czartoryski, traten jetzt in den Vordergrund und
scharten alles um sich, was von Bedeutung war. Beide versuchten das Vaterland zu retten,
aber jedes auf eigene Hand und ans anderem Wege. Die Potocki waren mehr volks-
thiimlich, sie verstanden es, sich zu Führern der großen Masse des Adels anfznschwingen,
wollten an der bestehenden Staatsform und an der „goldenen Freiheit" keineswegs rütteln
und suchten nnr das russische Übergewicht iu Polen durch eine Massenauflehnung,
womöglich mit französischer Hilfe zu breche». Der Tod des Königs Angnst II. (1733)
schien ihnen der geeignete Augenblick zur Verwirklichung ihrer Pläne. Nun setzten sie die
Wahl des ebenfalls volksthümlichen S tan i s l aus Leszezyüski durch, welcher seit seiner
Abdankung in Frankreich weilte und dessen Tochter Marie als Gemahlin des Königs
Ludwig XV. den französischen Thron bestiegen hatte. Der Sohn Augusts II., August III.,
mit Marie Josefa, Erzherzogin von Österreich, Tochter Josefs I., vermählt, wollte
aber keineswegs auf deu polnischen Thron verzichten. Er fand in Polen eine wenn auch
nicht zahlreiche Partei, welche ihn znm König erkor, und zur Durchsetzung seiner Wahl
verschmähte er es nicht, die Hilfe Rußlands anzurufen. Nnn zeigte es sich aber, daß der
von den Potoeki geführte Adel keineswegs gesonnen war, gegen Rnßland nnd Sachsen
einen ernsten Kampf aufzunehmen. Russische nnd sächsische Heere nahmen bald das ganze
Land ein, nur Danzig, in welchem sich Leszezynski einschloß, leistete heftigen Widerstand,
mußte aber schließlich die Waffen strecken. Leszezynski floh nach Frankreich. Ludwig XV.
unternahm zwar den sogenannten polnischen Erbfolgekrieg, in welchem aber polnische
Interessen nur zum Vorwand dienten und der damit endigte, daß Leszezynski seiner
Krone entsagte und das Herzogthnm Lothringen bekam; von dort übte er durch Heran-
ziehung und Bildung jnnger Polen einen überaus wohlthätigen uud belebenden Einfluß
auf sein Vaterland aus. Das ganze Unternehmen der Potocki endigte znm großen Nachtheile
für die Unabhängigkeit Polens, da es die sächsische Dynastie auf dem polnischen Throne
schwächte. Angnst III. hatte ihn Rnßland zu verdanken, und Polen wnrde desto mehr von
dieser Macht abhängig.
Mit dieser Thatsache rechnete die Familie der Fürsten Czartoryski, welche jetzt in
den Vordergrund trat. Michael nnd Angnst Czartoryski waren Männer von höherer
politischer Bildung. In die Adelsmassen setzten sie kein Vertrauen nnd hatten die Hoffnung
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch