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den Namen des Teufels auszusprechen und wenn sie fluchen, so sagen sie: „Daß dich dvch
alle holen"; das Wort „Teufel" aber sprechen sie nicht aus. Anstatt „alle"
wurde ehemals (noch im XV. und XVl. Jahrhundert) im Polnischen der
Ausdruck „^vsciornasei" (alle) gebraucht. Dieser Ausdruck ist aus der Literatursprache
verschwunden und nicht Jeder weiß heute, daß er existirt und was er bedeutet hat.
In vielen Gegenden flucht indessen der Bauer noch immer „daß dich vseiornasei holen"
und gibt dadurch naiven Ethnographen Anlaß zu glauben, daß es einstmals bei den
heidnischen Polen einen Gott namens Wsciornastek mit einer ganzen Familie von
Wsciornastki gegeben habe, offenbar einen Gott des Bösen, da sein Name sich im Fluche
erhalten hat.
Den Tod stellt sich das polnische Volk als ein weißgekleidetes Weib, bald ohne alle
Attribute, bald mit einer Sense, bald, außer der Sense, mit Säge, Schaufel, Harke und
Besen bewehrt, vor. Es sind dies Symbole: der Tod durchschneidet mit der Sense das
Leben, mit der Säge stellt er den Sarg her, mit der Schaufel gräbt er das Grab, mit der
Harke verstreut er die morschen Überreste und mit dem Besen kehrt er sie zusammen wie
den Staub der Straße. Den Tod hat schon mehr als Einer gesehen, denn wo jemand
sterben soll, dort erscheint der Tod in manchen Nächten. Sie (die weiße Frau) steht knapp
am Hause entweder ganz still da, oder sie pocht dreimal an das Fenster und ruft den mit
Namen, den sie holen will. Wenn er sich meldet und frägt „was ist's?" so ist er verloren.
Man soll nicht antworten, sondern schnell und laut „Gegrüßet seist Du, Maria!" sagen.
Die Beziehungen zwischen den Lebenden und den Dahingeschiedenen sind sehr lebhaft.
Namentlich sind es die Eltern, welche zur Nachtzeit ihre Kinder heimsuchen. Der Vater
sieht zu, wie seine Wirthschaft geführt wird, die Mutter sieht nach den Kindern. „Da schlafe
ich einmal so am Ofen" — erzählte dem Schreiber dieses ein ihm bekannter Landmann —
„da knurrt es, die Thüre geht auf und es tritt meine selige Frau herein, ganz so angekleidet,
wie ich sie begraben habe und so weiß, wie Papier. Sie hat sich in der ganzen Hütte
umgeschaut, hat auf den Ofen, auf mich geschaut, ist dann zu jedem der Kinder hingegangen,
bei einem jeden stehen geblieben, und hat es lange angeschaut und endlich hat sie sich bis
zur Wiege hingeschoben, wo das Kleine lag — denn bei dem Kleinen ist sie gestorben —
und hat sich mitleidig, als wollte sie ihm die Brust reichen, darüber hingebeugt. Da bin
ich mit beiden Füßen aufgesprungen und habe sie begrüßen wollen, aber wie oft ich auch
die Hände ausstreckte, um sie an mich zu ziehen, so war es immer, als ob ich Luft gehascht
hätte und ich habe sie nicht greifen können; da hat mich ein Schrecken erfaßt und ich habe
ausgerufen: „Jadwis, theueres Weib!" Daist sie so wie zusammengeschauert, der Hahn
hat zu krähen angefangen und — fort war sie." Die Todten soll man nicht lange betrauern,
denn das beschwert ihre Seele im ewigen Leben. Am Allerseelentage, wenn um Mitternacht
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch