Page - 303 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
Image of the Page - 303 -
Text of the Page - 303 -
303
unterrichten einander, wie man am besten und wirksamsten fremde Kühe verzaubere.
Auf die Berathungen folgt ein Hexensabbath, da die Hexen mit den Teufeln tanzen und
sich unterhalten. Zu diesen Hauptversammlungen kommen die Hexen auf Pferden heran-
geritten, welche in Form und Farbe angebrannten Schürstöcken, Besen oder Schaufeln
gleichen, da diese ihre Pferde bei Tage eben jene Geräthfchaften sind. Die Pferde der
Teufel, denn auch diese kommen zu Pferde, sind pechschwarz und unterscheiden sich von
gewöhnlichen Pferden nur dadurch, daß sie weder Mähnen, noch Schwänze haben. Die
Begrüßung beim Kommen und Gehen besteht in einem Kusse, und diese Küsse sind es
eben, wovon die Hexen so häßlich werden.
Die Hexen beschäftigen sich hauptsächlich mit dem Sammeln der ihnen nöthigen
Kräuter auf den Weideplätzen, Feldrainen und Feldern. Es sind dies Kräuter, wie: die
Glockenblume, der wilde Polei, der gelbe Hahnenfuß, der Wegwart, der wilde Thymian,
das Hufkraut. Während sie die Kräuter sammeln, wiederholen sie unaufhörlich: „Ich
sammle den Nutzen, doch nicht den ganzen." Diese Kräuter kochen sie, und mit ihrer Hilfe
entziehen sie allen Kühen, welche an diesen Stellen weiden, die Milch. Wer die Hexen
sehen will, der muß am Tage vor dem heiligen Adalbertstag vor Sonnenaufgang sich an
jene Orte begeben, wo das Vieh auf die Weide getrieben wird, und er wird gewiß dort
irgend welche Weiber zu sehen bekommen. Besonders am Charsreitag eilt jede Hexe
vor Sonnenausgang auf die Weideplätze, um Kräuter zu sammeln. Um zu erfahren, welche
Weiber im Dorfe Zauberinnen oder Hexen sind, gibt es verschiedene Mittel; man kann
sogar durch Anwendung eines entsprechenden Mittels eine Hexe dazu zwingen, sich im
Hause des Beschädigten zu stellen. Die Kühe der Hexen haben natürlich einen großen
Milchreichthum; allein wenn eine Hexe Kühe hält, so geschieht dies nur, um „nicht merken
zu lassen", daß sie eine Hexe ist, da sie ja nur irgend einen Gegenstand, z. B. eine
Leiter, eine Krippe, einen Pfahl, einen Karren, eine Trense, zu verzaubern braucht, ein
Gefäß unterstellt und soviel Milch aus dem Gegenstande fließt, als sie nur will.
Außer den Hexen gibt es noch Zauberer, und auch Leute, die, ohne Zauberer zu sein,
Mittel besitzen, womit sie außergewöhnliche Dinge vollbringen. Es gibt z. B. in der
Fledermaus ein Knöchelchen, welches den Menschen unsichtbar machen kann. Man muß
es nur verstehen, dieses Knöchelchen aus der Fledermaus heraus zu bekommen, wofür es
eine ausführliche Vorschrift gibt. Wer dieses Kuöchlein besitzt, braucht es nur zwischen die
Zähne zu nehmen, so wird er sofort für Andere unsichtbar, während er sie selbst vortrefflich
sieht. Ein ebenso wunderwirkendes Knöchlein ist auch in der Katze vorhanden, doch nur in
einer so schwarzen Katze, daß nicht ein einziges weißes Fleckchen an ihr ist. Die Blüte des
Farrenkrantes öffnet jedes Thür- und Vorhängeschloß und hilft Schätze entdecken. Eine
äbnliche Beschaffenheit hat auch das Kraut, welches man „Dieb" nennt.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch