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und ein Bauer zn Pferde. Dieser ganze Troß, sachgemäß charakterisirt und in seine Rolle
eingeübt, zog im Dorfe von einem Bauernhof zum andern und nahm Geschenke entgegen,
der Bettler an der Spitze, mit seinem Stabe gleichsam den Weg durch die Haufen der
Zuschauer bahnend. Man nannte diese Schaustellung daher auch „den Zug mit dem Bettler".
Dieser Letztere trägt einen nach außen gekehrten Schafpelz, der mit einem Strohseil gegürtet
ist. Im Gürtel steckt ein Rosenkranz aus Kartoffeln, auf dem Kopfe trägt er eine hohe
Mütze aus Pappe, welche mit färbigem Papier überklebt und mit einem Strauß von
Fichtenreisig und Bändern geschmückt ist. Er schreitet gravitätisch einher und spricht dabei
ein aus allerlei Witzen und Sinnlosigkeiten zusammengesetzes Paternoster, das allgemeines
Gelächter erregt. Es herrscht großer Lärm und doch will jeder ihn hören; da entsteht denn
ein großes Gedränge. Er aber erhebt seinen Stecken und theilt Hiebe aus. Der Zigeuner
und die Zigeunerin wahrsagen, „bereden" verschiedene Krankheiten und produzieren sich
von Zeit zu Zeit im Tanz. Der Drahtbinder ruft fortwährend: „Töpfe her zum Binden!",
zerschlägt aber alle Töpfe, die man ihm reicht. Bräutigam und Braut gehen gleichsam zur
Tranung, die Musik spielt auf, also haben die Brautführer und Brautjungfern bald zu
tanzen, bald zu singen. Der Teufel mit einer großen Heugabel und der Tod mit seiner
Sense gehen Arm in Arm wie gute Bekannte einher und tanzen ab und zu. Der Gensdarm
eskortirt einen gefesselten Dieb, welcher ein Felleisen mit gestohlenen Sachen trägt,
macht dabei Recherchen und notirt Angaben, der Seqnestrator mit dem Polizeibeamten
schreiben, so oft sie in eine Bauernwohnung eintreten, die Federbetten, die Pferde und Kühe,
als für Steuer und Schulden verpfändet, auf, der angeheiterte Bauer reitet hin und her
und stößt in die Trompete. Das Pferd ist natürlich ein künstliches, der Gestalt des
Baners angepaßtes. Kopf, Hals und Hintertheil sind aus Holz geschnitzt, der Bauch ist
aus einer Futterschwinge hergestellt und mit zwei Löchern versehen, durch welche die Beine
des Reiters gehen; das Pferd ist weiß, da es mit weißem Segeltuch überzogen ist. Dieser
Aufzug wurde auch „das Herumgehen mit dem Fasching" genannt, wobei der Bettler
den Fasching repräsentirte. In manchen Gegenden ziehen sie nur mit dem Bettler und dem
Schreiber umher, in anderen nur mit dem Reiter, welcher Xonik (Pferdchen) genannt
wird. Die Bursche, welche das Pferdchen begleiten, singen:
Das oben geschilderte Schauspiel wurde gewöhnlich am Faschingsdienstag
abgehalten. Mit dem Aschermittwoch oder „Eingangs-Mittwoch" srodn)
beginnt das Fasten, ein sehr strenges Fasten, da sich das Volk in dieser Zeit sogar vom
Genusse der Milchproducte enthält, so daß Öl das einzige Fett ist, dessen man sich zum
„Springe Pserdchen, springe,
Übern grünen Rain,
Wo unser Pferdchen springet, Da's Früchtchen wird gedeihen,
Wo's nicht vorüber springet,
Da wird's auch nicht gedeih'n."
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch