Page - 317 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
Image of the Page - 317 -
Text of the Page - 317 -
317
der Krakauer Marktweiber und Höckerinnen, zu welchen sich auch das übrige Volk gesellte.
Eine Musikbande mit Gefolge zog auf den Marktplatz hinaus und es begannen verschiedene
Tänze. Wer nur immer des Weges daher kam, wurde in die allgemeine Belustigung
hineingezogen, wer aber nicht tanzen wollte, der mußte sich loskaufen. Sogar Höflinge
und hohe Würdenträger wurden im Vorbeifahren aufgehalten, sie mußten aussteigen, sich
loskaufen und konnten erst nachher unter Schreien und Hochrufen wieder weiter fahren.
Gegen Mittag schleppte man aus der Vorstadt Piasek einen mit Stroh ausgestopften
Popanz unter lustigem Geschrei an einem Strick durch die Straßen der Stadt bis aus den
Ningplatz vor die Sukiennice, wo man ihn in Stücke zerriß. Diese Belustigung dürfte durch
die deutsche Bevölkerung, welche hier im Mittelalter vorherrschend war, nach Krakau
gekommen sein. Dies bekräftigt auch schon der Name derselben, welcher sich wohl auf die
Zurufe bezieht, die zum Loskauf aufforderten: „Zum Bier!"
Vom Aschermittwoch bis zur Mittfastenzeit und dem Palmsonntag fließt das Leben
ernst und ruhig dahin. Am Mittwoch, welcher dem Mittfasten-Sonntag vorangeht, hatte
man deuBrauch,die Mittfasten auszuschlagen. In derNacht dieses Tages, wenn das ganze
Dorf in Schlaf versunken war, zerschlug man alte Zurtöpse au den Hausthüren, zum Zeichen,
daß die halbe Fastenzeit vorüber sei. In den Städten pflegten die Jünglinge vor den
Mädchen und diese hinwieder vor jenen mit Asche angefüllte Töpfe auf die Erde zu werfen.
Nachdem sie solchermaßen den Vorübergehenden mit Asche bestänbt hatten, riefen sie,
indem sie davonliefen: „Mittfasten, edler Herre!" und „Mittfasten, Jungfräulein!"
Am Palmsonntag herrscht bis heute überall die Sitte der „Palmenweihe", das
heißt das Segnen von Reisigstränßchen und Baum-, meist Weidenknospen oder „Kätzchen".
Mit dem heimgebrachten Palmstränßchen geht der Hirte oder die Hirtin in den Stall,
gibt den Kühen einen Schlag damit und ermahnt sie: „Gieb viel Milch und schlag' nicht
ans! Friß' ordentlich und laß' dich melken!" Nach dieser Ermahnung steckt man das
Stränßlein hinter das „Gebälk", damit die Hexe sich vom Stalle fernhalte.
Der Teufel schaut das ganze Jahr nicht in die Kirche hinein, am Palmsonntag aber
mnß er durchaus beim Evangelium zugegen sein. Da sind denn alle Schätze, die der Böse
bewacht, ohne Aufficht, arbeiten sich aus dem Erdinnern an die Oberfläche herauf und
„brennen sich an" (?l-?ex»alg^ sitz). Angebranntes Geld kann man dem Teufel entwenden;
man muß sich aber sehr beeilen, damit er nicht vorher aus der Kirche herzukomme, denn er
reißt dem Betreffenden den Kopf ab und trügt ihn in die Hölle. Wer also in der Kirche am
Palmsonntag während des Evangeliums ins Freie hinaussieht nnd ein flammendes Feuer
auf dem Felde erblickt, der soll so schnell als möglich zu dieser Stelle hinlaufen und irgend
einen Bestandtheil seiner Kleidung über das Feuer werfen: einen Ring, die Mütze, Stiefel,
den Gürtel, kurz was immer. Dann muß er graben, so wird er den Schatz unter der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch