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worauf sie die Eltern des Bräutigams, die beiderseitigen Verwandten einladen. Nach
Ankunft der Letzteren beginnen die Verhandlungen über die Vermögensangelegenheiten,
die Bewirthung und heitere Gespräche, die bis zum Morgengrauen dauern.
Vor dem „Ruthenflechten" (kio^'mvinv) werden alle kirchlichen und amtlichen
Formalitäten abgemacht. Sowie das Aufgebot im Gange ist, beginnen die Vorbereitungen
znm Hochzeitsfeste. Wenn die Braut eine „Arme" ist und die Hochzeit nicht auf
eigene Kosten bestreiten kann, so bittet sie eine Frau, welche an diesem Feste ihre
„Köchin" sein soll und geht mit ihr von Haus zu Haus um „Beisteuer". Wo immer
sie eintreten, spricht die Köchin: „Gelobt sei Jesus Christus" und fügt hinzu: „Die Braut
bittet um eine Beihilfe", die Braut macht allen die Knieumfassung;' sie sagen darauf:
„Gebe Dir Gott Glück und Segen" und beschenken sie je nach ihren Kräften. Gleichzeitig
erfolgt die Zusammenstellung des Hochzeitsgefolges, das heißt, der Brautwerber und
Werberinnen, der Brautjungfern und Brautführer und der Musikanten. Die Musik geht
den Bräutigam an. Ist er wohlhabend, so bestellt er zwei Geigen, eine Clarinette und eine
Baßgeige, der Ärmere bestellt nur eine Geige und einen Baß. Die Brautjungfern sind
meistens acht an der Zahl, Brautführer neun, Brautwerber und Brautwerberinnen je sieben.
Unter den Brautjungfern nimmt nach der Braut die erste Stelle „die älteste Braut-
jungfer" ein; unter den Brautführern fällt sie dem „ältesten Führer" zu. Dieser ist zugleich
„Hochzeitsmarschall" und hat einen Stellvertreter in der Person des „Untermarschalls".
An der Spitze der Swaty (Brautführer) steht der „älteste Swat", welcher gleichzeitig der
Starost des Festes ist, an der Spitze der (Brautwerberinnen) steht die „älteste
Swaszka" oder „Starostin", welche gleichzeitig „Kranzelträgerin" ist, das heißt, zwei
ganz kleine Kränzlein und auch Trauringe, wo sie im Gebrauche sind, zur Trauung in
die Kirche trägt.
An den zwei dem ersten Aufgebot folgenden Sonntagen zeigt sich die Brant in
Begleitung der ältesten Brautjungfer in der Kirche. Beide tragen aus Singrün und Raute
geflochtene Kränze auf dem Kopfe und eine Unzahl buntfarbiger Bänder flattern ihnen
vom Haar auf die Schultern herab. Wem immer sie auf dem Heimwege von der Kirche
begegnen, seien es Bekannte oder Unbekannte, dem erweisen sie die Knieumfassung als
Gruß, was hier ein Zeichen ist, daß die Braut um den Segen bittet, darum muß auch
Jeder, dem sie diesen Gruß darbrachte, sagen: „Gott gebe Dir Glück und Segen."
Das Hochzeitsfest selbst beginnt nach dem letzten Aufgebote am Montag zur Zeit
der Abenddämmerung, und zwar mit dem „Ruthenflechten" (kiö^o^vinx). Der
Bräutigam bringt in Gesellschaft des „Ältesten" die Musikanten vor seines Vaters Haus.
! Das oben beschriebene „Knieumfassen" oder „Haschen" nach den Knieen ist die übliche ehrerbietige Begrüßung des
polnischen Bauers.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch