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das Band und händigt die Rnthe dem jungen Paare ein. Dieses dankt ihm durch das
„Knieumfassen", die Ruthe aber wandert unter die Familien-Reliquien. Bei Tische fällt
der jungen Ehegattin bereits die Rolle der Hausfrau zu, womit das Hochzeitsfest seinen
Abschluß findet, namentlich da die Musikanten nicht mehr aufspielen wollen, weil es „ihr
Recht ist, mir bis zur Behaubung zu Diensten zu stehe»". Am nächsten Tage kommt, wer
es noch aushält, zur Nachfeier und unterhält sich gegen die Mittagszeit, natürlich ohne
Musik, da diese schon vom Bräutigam fortgeführt worden. „Man leert die Fässer", heißt
es, „bis an den Boden, die Werberinuen essen die Würste zu Ende, die Mädchen die
Broschen, die Starosten nagen die Knochen nnd die jnngen Tröpfe haben schwere Köpfe."
Ablässe. Das polnische Volk pflegt zu bestimmten Zeiten nach jenen Orten zu
wallsahrten, welche durch Wuuder oder Ablässe geheiligt sind. Ein solcher Ort findet sich
nahezu in jedem Landbezirke. Nach diesen nähergelegenen Orten pilgert das Bolk mit
Fahnen und Heiligenbildern, oft anch mit seinen Geistlichen an der Spitze, nach den
entfernteren »nd berühmteren Wallfahrtsorten, wie Lezajsk oder Kalwaria Zebrzydowska
in Galizien, wie Ezxstochvwa im Königreich Polen, gelangen die pilgernden Massen nnter
der Leitung von Führern, welche der Wege und der an Ablaßorten üblichen Ordnung
knndig siud. Sie machen den Weg zu Fuße und besuchen aus der Pilgerfahrt alle
bedeutenderen Kirchen, an welchen sie vorüber kommen. Unterwegs singen sie andächtige
Lieder, wobei der Anführer vorher jede Strophe des zu singenden Liedes lant ansagt. An
den berühmteren Orten kann man 30.000 bis 50.000 Wallfahrer sehen, in Czxstochowa
jedoch ist anch die Zahl von 100.000 keine außergewöhnliche Sache.
Die Leichenbestattung. Der Tod wird durch gewisse außergewöhnliche Zeichen
angekündigt: Dnrch das Winseln eines Hnndes, den Schrei einer Eule, das Stehenbleiben
einer Uhr ohne sichtbare Veranlassung, das Erscheinen des „Todes" selbst, der sich
entweder in der Nacht vor den Fenstern, oder direct dem Kranken zeigt. Erscheint der Tod
zn Häupten des Kranken, so muß dieser unbedingt sterben, zeigt er sich bei den Füßen
desselben, so geschieht diesem nichts. Wem es einmal beschieden ist zn sterben, dem
helfen keine Ärzte. Wenn es mit dem Kranken schlecht steht, so ruft man den Priester
herbei, und liegt er iu der Agonie, so bettet man ihn ans „grades Stroh", das heißt,
ans den Fußboden der Stube, auf welchen man einen Bund geraden, nnzerknitterten Strohs
gebreitet hat, und zündet eine geweihte Kerze an. Der Sterbende sieht seinem Eude mit
großer Ruhe entgegen; ist er im Stande zn reden, verbittet er sich das Wehklagen der
Angehörigen, theilt Ermahnungen ans, nimmt Abschied von den Seinen und von den
Freunden nnd iin letzten Augenblicke macht er noch mit der Hand das Zeichen des Kreuzes,
so wie er es gemacht hatte, als er aus dem Hause ging oder fnhr, wenn er sich nach
einem entfernten Orte anf den Weg machte. Nnr ohne Beichte zu sterben ist ihm schrecklich,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch