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es weit und breit hört. In der Umgebung befinden sich „Hirten", getreu nach der Natur
copirte polnische Bauern. Es ist Nacht, ein Jeder von ihnen schläft nach der Arbeit fest,
jeder, wo er eben in seiner Müdigkeit hinfiel; auf dem Heuhaufen, auf dem Schober, im
Schuppen, in der Scheune. Auch sie haben das Singen und Musiciren der Engel gehört.
Einer von ihnen erwacht und meint, es sei Heller Tag. Er ruft also den Kuba, den Maciek,
den Kazimir, sie sollen so schnell als möglich aufstehen und das Vaterunser beten. Sie
raffen sich auf, aber gemächlich; einen oder den anderen hat man sogar „beim Schopf"
nehmen müssen. Dieser Moment des Erwachens der Hirten, dann ihres Hineilens zum
Ställchen, ihres Darbringens von Gaben und ihres Verweilens an der Krippe hat der
humoristischen Behandlung ein reiches Feld eröffnet und ist das Lieblingsthema vieler
Xolenci^. Nach einem anderen Texte z. B. scheint es den aufwachenden Hirten, daß ein
Feuer ausgebrochen sei, „wer weiß, ob nicht die ganze Welt brennt." Da bemächtigt sich
ihrer ein ungeheurer Schrecken und in dieser Angst kollert einer oder der andere vom
Heuschober oder dem Heuberg auf die Erde herab. Sobald sie zu sich gekommen sind,
erklärt der älteste und gescheiteste unter ihnen, welcher gewöhnlich Bartosz genannt wird,
was das zu bedeuten habe und räth ihnen, ein jeder möge zusammenraffen, was er nur
könne und nach Bethlehem eilen, um das „Gottkind" zu begrüßen. Es wird auch gut sein,
die Musikinstrumente nicht zu vergessen. Alle machen sich eiligst auf den Weg. Sie nehmen
„Butter, Wecken, Hühnchen mit für's kleine Kindchen; kleine Käse, Quark, frisch und fein,
für das junge Fräulein, Birnen, Pflaumen, Äpfelchen für Josef, das Alterchen" und zudem
alles, was nur Küche und Vorrathskammer oder das Ställchen des polnischen Landmannes
besitzen mag: Würste, Speck, Eier, Gänse, Enten, Hühner, Putenhähne, Erbsen, Grütze,
Honig, Milch, Rahm, Krebse und dergleichen. Überdies:
„Lief Kuba zur Heerd', einen Hammel zu sangen.
Will nicht ohne Gabe zum Herren gelangen,
Der Stasiek, der packt ein Schaf bei den Beinen,
Dem Bartek eine Ziege will besser scheinen,
Faßt sie bei den Hörnern, der Jasiek ein Schäflein,
Der Jacek, der schreit: lauft mir doch nicht davon.
Auch ich will mit Euch, ich komme ja schon,
Laßt mich schnell nur beschlagen die Schuh,
Dann wandre ich mit Euch immer zu,
Um der Gesellschaft willen. He, Jacek Du Tropf, schnell beschlag Du die Schuh
Und komm mir herbei und zu Hilfe im Nu,
Daß die Ziege mich nicht aus ihre Hörner spieße,
— Ei! schlag mit dem Stecken ihr zwischen die Füße,
Da wird sie nicht stoßen. —
— Auch Du Simonchen, komm mit uns im Verein!
Ach ich ergeh's nicht, mich schmerzt ja mein Bein!
— Wir setzen auf die Ziege Dich aus dann selbander,
Da bleiben wir alle so schön bei einander
In Gesellschaft."
Auf der Wanderung ist es natürlich nicht ohne Abenteuer abgelaufen. Mathies z. B.,
das Alterchen, lief schnell hinter den andern her und hat „den Wolf gesehen!" Er ist so
erschrocken, daß er die Quarklaibchen verlor. Es war noch ein Glück, daß er außerdem
noch etwas Graupen bei sich hatte und eine (Querpfeife), denn sonst wäre
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch