Page - 410 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
Image of the Page - 410 -
Text of the Page - 410 -
410
Um der Jungfrau Schönheit? — An ihr Herz mich drücken,
„Mädchen tanzen, Zöpfe fliegen,
Nicht mehr bin ich ihnen,
Selbst wenn sie mich mild aufnehmen, Sagen sie mir nicht die Wahrheit:
Geh', laß Dich im Zimmer schauen —
„„Ach, dort sitzen jnnge Frauen!"" (S.-St.)
Sobald der Neuvermählte mit seinem Gefolge am Hausthore erscheint, wird dieses
von einer Art Wache vertheidigt, bis dieselbe dem Bräutigam gegen Bewirthung mit
Branntwein Einlaß gewährt. Drinnen werden Lieder angestimmt, in denen der Vater und
dann der Bruder aufgefordert werden, der Neuvermählten Schutz zu gewähren. Der Brnder
macht sich wirklich mit einem Säbel ausHolz daran,seine Schwester zu vertheidigen,allein der
vom Bräutigam gespendete Branntwein und die verabreichten Geldgeschenke und dergleichen
überwinden jeden Widerstand und nun zieht der Starosta mit dem kvro^vH ein. Die Neu-
vermählte sitzt auf dem Ehrenplatz, zu beiden Seiten derselben ihre Brüder, die als kriegerische
Kozaken ihre Schwester vertheidigt haben. Jetzt wird denselben von dem Neuvermählten
das Lösegeld für ihre Schwester angeboten und dies veranlaßt die Brüder und die Mädchen,
welche an der Seite der Neuvermählten saßen, dem Bräutigam den Platz neben der Braut
einzuräumen. Dabei werden von den Swachen und Druzken entsprechende Lieder gesungen:
Eile, Brüderchen, hole sie ein, Da sagte sie ihm „Guten Abend" gar schnelle. —
Entreiße ihnen das Schwesterlein! —
Es eilte das Brüderchen, bekam sie doch nicht!
Der Brautführer wegen erkannte er sie nicht!
Der Musik wegen hörte er sie nicht!
Er hörte ein Stimmchen, bekannt war sein Ton,
Doch leider am Hofe des Schwiegervaters schon.
Als sie trat ans des Schwiegervaters Schwelle, „Guten Abend, lieb' Väterchen, ich Dir sage,
Nimm mich auch zu Dir für alle meine Tage,
Weil die Nacht mich erreichte,
Der Reif mein Kleidchen bleichte,
Der Tau mein Zöpfchen besetzte,
Die Thräne mein Gesichtchen benetzte!" (S.-St.)
Diese Ceremonie erinnert an die vom Chronisten Nestor erwähntenHochzeitsgebräuche
der Derewlanen, nämlich an die gewaltsame Entführung oder an den Kauf der Braut. Dies
bestätigt auch der am Schluß der Hochzeitsfeierlichkeiten übliche Festzug der Eltern und
Geschwister, welche das Brautpaar uach dessen Übersiedlung in das Haus des Bräutigams
besuchen, wobei sie in einem Liede als Verkäufer begrüßt werden.
Nachdem sich der Vermählte den Platz bei seiner Braut erkauft hat, schreitet der
Brautführer zur Theilung des Hochzeitsbrodes, um damit die ganze Familie der Braut
lind alle gnten Bekannten und Nachbarn zn beschenken, was von dem Starosten unter
Sang ausgeführt wird. Nach der Vertheilnng des koimvH wird geschmaust und die Nacht
über getanzt. Vor Tagesanbruch schickt sich das Gefolge des Bräutigams zur Rückkehr
iu sein Haus an und hat auch die Braut mitzunehmen. Diese hat sich unterdessen versteckt,
so daß sie nicht leicht aufzufinden ist. Sobald sie aber gefunden ist, wird sie auf den
Ehrenplatz am Tisch gesetzt, während sich neben ihr auf der einen Seite die Brautjungfern,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch